Ausstellung zur Rolle des Karnevals in der NS-Zeit

Propaganda am Rosenmontag

Konrad Adenauer gab seiner Geburtsstadt Köln schon früh den Persilschein: Nirgendwo sei so viel "geistiger Widerstand" gegen den Nationalsozialismus geleistet worden wie in Köln, sagte er 1946 in einer Rede in der Kölner Uni-Aula. Doch mittlerweile ist selbst die letzte vermeintliche Bastion des Widerstandes in sich zusammengebrochen.

Autor/in:
Hendrik Buchheister
 (DR)

Welche Rolle spielte der Kölner Karneval im Nationalsozialismus? Lange hielt sich der Mythos, der Karneval sei unpolitisch gewesen oder sogar eine Zelle des Widerstands gegen die Nazis. "Aber diese Legende ist gebrochen", sagt Werner Jung, der Direktor des Kölner NS-Dokumentationszentrums. Sein Haus zeigt von Freitag bis zum 4. März die Ausstellung "Kölle Alaaf unterm Hakenkreuz", die erste Schau zur Verstrickung von Karneval und Nationalsozialismus. Sie dokumentiert, wie die Gleichschaltungsbeamten der NSDAP den Karneval zur Verbreitung ihrer Ideologie nutzten - und wie die Menschen das Angebot annahmen.



66 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist zum ersten Mal umfangreich zu besichtigen, wie die Kölner im Karneval Juden verunglimpften. So präsentierte ein Umzugswagen einen Mann mit krummer Nase und Krawatte, der von einem übergroßen Paragrafen-Symbol bedrängt wurde. "Däm han se op d"r Schlips getrodde", stand auf dem Wagen, der jetzt auf Fotos in der Kölner Ausstellung zu sehen ist. Das Motiv vom Rosenmontagsumzug 1936 war eine unkritische Darstellung der sogenannten Rassengesetze; sie verboten die Eheschließung zwischen Juden und Nichtjuden und drängten Juden aus öffentlichen Ämtern.



Die Themen passten nicht

Museumsdirektor Jung nennt es "beachtlich", wie lange und mit welchem Eifer sich der Kölner Karneval gesträubt habe, seine Geschichte aufzuarbeiten - länger als andere Institutionen. Dass die Ausstellung jetzt zustande gekommen sei, liege daran, dass Quellen zugänglich geworden seien - und dass der Kölner Karneval sich geöffnet habe. Das Festkomitee Kölner Karneval und das Karnevalsmuseum haben das Dokumentationszentrum dabei unterstützt, die Ausstellung zusammenzutragen. Festkomitee-Präsident Markus Ritterbach spricht von Verantwortung, die man auch heute als Organisator von Freude habe.



Bis 1936 versuchten die Nazis, den Kölner Karneval durch moderne Themen wie die Filmemacherei unpolitisch zu halten, um Werbung für das Rheinland zu machen und Touristen anzuziehen. Die Kölner Karnevalisten ärgerten sich darüber, dass sie bei der Themensetzung außen vor blieben und bei der Organisation des Karnevals wenig Mitspracherechte hatten. Die Stimmung war beim Rosenmontagsumzug schlecht. "Die Themen passten nicht. Und die Karnevalisten hatten wegen der Reglementierung durch die Nationalsozialisten keine Freiräume", sagt Marcus Leifeld, einer der Kuratoren der Ausstellung.



Wichtiges Instrument zum Machterhalt

Durch den sogenannten Narrenaufstand gewannen die Karnevalisten ihr Hochamt zurück. Es gab wieder einen Festausschuss, und die "Kölnische Zeitung" berichtete, ein Gewitter im Reich der Narren habe gezeigt, wie sehr die Kölner an ihrem Fest hingen, das sich frei entfalten solle. Laut Ausstellung ging die Verfügungsgewalt über den Karneval aber nur auf dem Papier von NSDAP, Polizei und "Kraft durch Freude" wieder an die Karnevalisten über. Denn die wichtigsten Positionen im Karneval wurden mit treuen Nazis besetzt. Den Posten als Präsident des Festtagsausschusses übernahm Thomas Liessem, NSDAP-Mitglied seit 1932. Er sprach sich ständig mit Gauleiter Josef Grohe ab. Antisemitische Festwagen wurden unter Liessem ab 1936 ein gewohntes Bild. Der Karneval entwickelte sich zur Propaganda-Veranstaltung.



Nach den Worten von Kurator Leifeld mussten die Nazis beim Karneval einen Spagat vollbringen: "Unterhaltung war ein wichtiges Instrument zum Machterhalt." Aber Karneval sei auch immer ein Spiel mit Freiräumen. "Das widersprach der Ideologie der Nazis, alles zu reglementieren." Schaut man sich die Ausstellung an, entsteht der Eindruck: Dieser Spagat gelang den Nationalsozialisten ganz gut.



Hinweis: Die Ausstellung "Kölle Alaaf unterm Hakenkreuz" im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Appelhofplatz 23, läuft bis 4. März 2012. Geöffnet dienstags bis freitags von 10.00 bis 18.00 Uhr, jeden 1. Donnerstag im Monat bis 22.00 Uhr, am Wochenende und Feiertagen von 11.00 bis 18.00 Uhr. Eintritt 4,20 Euro, ermäßigt 1,80 Euro.