Letzten Montag erhielt ich einen besonderen Brief. Ein Brief, über den ich mich gefreut habe, aber auch ein Brief mit einem Inhalt, der mich seit langem umtreibt. Der Betroffenenbeirat, den wir in unserem Erzbistum im Frühjahr 2019 eingerichtet haben und der mir von Anfang an ein Herzensanliegen war, hat mir geschrieben. Die Betroffenen schildern ihre Sorgen und legen nochmals ihre Haltung dar, wie die Katholische Kirche im Zuge ihrer Aufarbeitung und im Umgang mit sexualisierter Gewalt das Thema Entschädigungs- bzw. Anerkennungszahlungen aus ihrer Sicht behandeln muss.
Mit dem Betroffenenbeirat habe ich mich bereits mehrfach getroffen. Und wir haben in einer offenen, vertrauensvollen Atmosphäre miteinander gesprochen. Ich bin dankbar für diese Sichtweise, die uns hilft, das Thema sexualisierte Gewalt mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen.
Ich verstehe gut die Forderungen, die sich auch in den Stellungnahmen des Betroffenenbeirats gerade jetzt im Sommer nachlesen lassen. Denn es geht um wenigstens ein Mindestmaß an Gerechtigkeit. Deshalb müssen wir jetzt schnell eine gemeinsame Lösung für die Katholische Kirche in Deutschland finden. Dafür werde ich mich mit Nachdruck auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz einsetzen.
Zu dem Thema gibt es viele Meinungen, die im Vorfeld diskutiert wurden. Auch ich wurde gefragt, wie ich dazu stehe. Um mir eine Meinung zu bilden, ist mir die Sichtweise des Betroffenenbeirates wichtig. Denn es geht um ihr Leid und wir müssen zuhören. Denn wie ich schon im November 2018 gesagt habe, möchte ich den Betroffenen eine feste Stimme geben und einen Austausch auf Augenhöhe.
In der nächsten Woche treffen wir Deutschen Bischöfe uns in Fulda. Es ist die traditionelle Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, wo es auch genau um diese Fragestellung gehen wird.
Darum habe ich den Sprecher des Beirats persönlich angerufen und habe mit ihm über den Brief gesprochen. Ich habe ihm gesagt, dass ich die Perspektive der Betroffenen mit auf die Versammlung nach Fulda nehmen werde. Denn ich glaube, dass wir ohne einen gemeinsamen Ansatz keine – zumindest ansatzweise – Gerechtigkeit schaffen können. Ich möchte versuchen, diesen Weg auch zu gemeinsamen Konsequenzen zu führen.
Ich hoffe und bete, dass wir auf dieser Basis eine gemeinschaftliche Lösung finden werden.
Begleiten Sie unsere Beratungen in Fulda auch mit Ihrem Gebet.
Ihr
Rainer Kardinal Woelki
Erzbischof von Köln