Auszüge der neuen Strafnormen für Missbrauch

"Schwerwiegendere Straftaten gegen die Sitten"

Der Vatikan hat die kirchenrechtlichen Bestimmungen zur Ahndung von Missbrauchsfällen verschärft. Die am Donnerstag erstmals komplett veröffentlichten Normen der Römischen Glaubenskongregation wurden in Teilen überarbeitet. In den Normae de gravioribus delictis (Normen über schwerwiegende Straftaten) geht es nicht nur um Missbrauchsfälle, sie betreffen auch schwerwiegende Straftaten gegen Glaube und Sakramente. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert das Dokument in Auszügen:

 (DR)

Erster Teil

Substantielle Normen

Art. 1

§ 1. Die Kongregation für die Glaubenslehre behandelt gemäß Art. 52 der Apostolischen Konstitution Pastor Bonus Straftaten gegen den Glauben und schwerwiegendere Straftaten gegen die Sitten und solche, die bei der Feier der Sakramente begangen werden, um gegebenenfalls nach Maßgabe des allgemeinen oder des besonderen Rechts kanonische Strafen festzustellen oder zu verhängen, unbeschadet der Zuständigkeit der Apostolischen Pönitentiarie und der Geltung der Ordnung für die Lehrüberprüfung.

(...)

Art. 6

§ 1. Die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehaltenen
schwerwiegenderen Vergehen gegen die Sitten sind:

1° Die von einem Kleriker begangene Straftat gegen das sechste Gebot
mit einem Minderjährigen unter achtzehn Jahren; bezüglich dieser
Straftat wird dem Minderjährigen eine Person gleichgestellt, deren
Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist.

2° Der Erwerb, die Aufbewahrung und die Verbreitung pornographischer
Bilder von Minderjährigen unter vierzehn Jahren in jedweder Form und
mit jedwedem Mittel durch einen Kleriker in übler Absicht.

§ 2. Ein Kleriker, der die Straftaten nach § 1 begangen hat, soll je
nach Schwere des Verbrechens bestraft werden, die Entlassung oder
Absetzung nicht ausgeschlossen.

Art. 7

§ 1. Unbeschadet des Rechts der Kongregation für die Glaubenslehre,
von der Verjährung in einzelnen Fällen zu derogieren, unterliegt die
strafrechtliche Verfolgung der Straftaten, die der Kongregation für
die Glaubenslehre vorbehalten sind, einer Verjährungsfrist von
zwanzig Jahren.

§ 2. Die Verjährung läuft nach can. 1362 § 2 des Kodex des
kanonischen Rechts und can. 1152 § 3 des Kodex der Kanones der
orientalischen Kirchen . Bei der Straftat nach Art. 6 § 1, 1o
dagegen beginnt die Verjährung mit dem Tag zu laufen, an dem der
Minderjährige das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.

Zweiter Teil

Verfahrensrechtliche Normen

Titel I

Zusammensetzung und Zuständigkeit des Gerichts

Art. 8

§ 1. Die Kongregation für die Glaubenslehre ist das Oberste
Apostolische Gericht für die lateinische Kirche sowie für die
katholischen Ostkirchen zur Behandlung der in den vorausgehenden
Artikeln dargelegten Straftaten.

§ 2. Dieses Oberste Gericht behandelt auch die anderen Straftaten,
die dem Angeklagten vom Kirchenanwalt vorgeworfen werden, sofern
dabei eine Verbindung in der Person oder über Komplizenschaft
vorliegt.

§ 3. Die Urteile dieses Obersten Gerichts, die innerhalb der Grenzen
der eigenen Zuständigkeit getroffen werden, unterliegen nicht der
Approbation durch den Papst.

(...)

Art. 16

Wann immer der Ordinarius oder Hierarch eine mindestens
wahrscheinliche Nachricht über eine schwerwiegendere Straftat
erhält, muss er nach Durchführung einer Voruntersuchung die
Kongregation für die Glaubenslehre darüber informieren. Wenn die
Kongregation den Fall nicht aufgrund besonderer Umstände an sich
zieht, beauftragt sie den Ordinarius oder den Hierarchen, weiter
vorzugehen, unbeschadet des Rechts, gegebenenfalls gegen ein Urteil
erster Instanz an das Oberste Gericht der Kongregation zu
appellieren.

Art. 17

Wenn ein Fall direkt der Kongregation vorgelegt wird und noch keine
Voruntersuchung stattgefunden hat, können die prozessvorbereitenden
Maßnahmen, die nach allgemeinem Recht dem Ordinarius oder dem
Hierarchen zukommen, von der Kongregation selbst durchgeführt werden.

(...)

Titel II

Prozessordnung

Art. 21

§ 1. Die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehaltenen
schwerwiegenderen Straftaten müssen in einem kanonischen
Strafprozess untersucht werden.

§ 2. Es steht der Kongregation für die Glaubenslehre jedoch frei:

1° In einzelnen Fällen von Amts wegen oder auf Antrag des Ordinarius
oder des Hierarchen zu entscheiden, gemäß can. 1720 des Kodex des
kanonischen Rechts und can. 1486 des Kodex der Kanones der
orientalischen Kirchen auf dem Weg eines außergerichtlichen Dekrets
vorzugehen; unbefristete Sühnestrafen können jedoch nur im Auftrag
der Kongregation für die Glaubenslehre verhängt werden.

2° Sehr schwerwiegende Fälle, bei denen die begangene Straftat
offenkundig ist und dem Angeklagten die Möglichkeit zur Verteidigung
gegeben worden war, direkt dem Papst zur Entscheidung über die
Entlassung aus dem Klerikerstand oder über die Absetzung zusammen
mit der Dispens von der Zölibatsverpflichtung vorzulegen.

(...)

Art. 30

§ 1. Die genannten Verfahren unterliegen dem päpstlichen
Amtsgeheimnis.

§ 2. Wer immer das Amtsgeheimnis verletzt oder, sei es aus List oder
aus schwerer Fahrlässigkeit, dem Angeklagten oder den Zeugen einen
anderen Schaden zufügt, ist auf Antrag des Geschädigten oder auch
von Amts wegen vom höheren Gericht mit angemessenen Strafen zu
belegen.

Art. 31

In diesen Verfahren müssen neben den Vorschriften der vorliegenden
Normen, die für alle Gerichte der lateinischen Kirche und der
katholischen Ostkirchen gelten, auch die Kanones über die
Straftaten, die Strafen und den Strafprozess des einen wie auch des
anderen Kodex angewandt werden.