Baby Hospital Bethlehem spürt Auswirkungen des Krieges

Arbeit als Therapie

Überall spürt man die Last des Krieges in Bethlehem. Auch im Caritas Baby Hospital. Statt Vorweihnachtsstimmung kämpft man auf den Stationen gegen die Schwierigkeiten der kleinen Patienten, das Krankenhaus überhaupt zu erreichen.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Ein Frühgeborenes liegt 2021 im Caritas Baby Hospital in Bethlehem in einem Brutkasten und schläft. Daneben steht ein Weihnachtsbaum. / © Andrea Krogmann (KNA)
Ein Frühgeborenes liegt 2021 im Caritas Baby Hospital in Bethlehem in einem Brutkasten und schläft. Daneben steht ein Weihnachtsbaum. / © Andrea Krogmann ( KNA )

Es ist der erste richtige Regentag der Saison. Eigentlich ein Grund zur Freude – denn Regen ist im Heiligen Land ein Segen. An diesem Tag unterstreichen der graue Himmel und die dreckigen Pfützen jedoch die deprimierende Stimmung, den der seit Wochen anhaltende Krieg zwischen der Hamas und Israel über das Land gebracht hat. 

Auch im "Caritas Baby Hospital" (CBH) im Bethlehemer Norden spürt man dessen Folgen. Statt Vorweihnachtsstimmung kämpft man auf den Stationen gegen die Schwierigkeiten der kleinen Patienten, das Krankenhaus überhaupt zu erreichen.

Keine Weihnachtsdeko

Sonnengelb leuchtet die Eingangshalle zum Kinderkrankenhaus. Kräftige Farben und Tierbilder bilden einen Kontrast zum Regengrau vor den Glasschiebetüren mit dem Logo des CBH: zwei in Tücher gewickelte Babys mit fröhlichem Gesicht. 

Krankenhaus Caritas Baby Hospital in Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Krankenhaus Caritas Baby Hospital in Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Eigentlich würden sie jetzt mit den Kindern Weihnachtsbäume schmücken, auf jeder Station einen, sagt CBH-Chefärztin Hijam Marzuka. In diesem Jahr sucht man die Weihnachtsdeko in der Kinderklinik ebenso wie in der gesamten Geburtsstadt Jesu vergeblich. 

Aus Trauer und Respekt

Außer den Gottesdiensten wird es diesmal keine Feiern zu Advent und Weihnachten geben; "seit ich denken kann, das erste Mal", sagt Marzuka. Damit folgt das CBH im Schatten der Sperrmauer nach Jerusalem den Aufrufen der Kirchen, die beliebten Weihnachtsbasare, Konzerte und andere Vorweihnachtsfeiern aus Trauer und Respekt vor den Kriegsopfern zu unterlassen. Vor allem aber: Keiner ist in Feierlaune.

Geisterstadt 

"In Bethlehem herrscht im Moment allgemeine Depression; die Menschen haben keine Freude am Leben", sagt Hijam Marzuka. Als Christin und Mutter erlebt sie die bedrückende Lage auch privat. Zum ersten Mal im Leben habe sie manchmal Angst; um ihre Kinder und um sich selbst, um die Zukunft in diesem Land. 

Ab fünf Uhr nachmittags gleiche Bethlehem einer Geisterstadt, sagt auch Schireen Khamis, die Kommunikationschefin der Klinik und ebenfalls aus Bethlehem. Die wenigen Geschäfte, die geöffnet haben, seien leer, Restaurants und Cafes geschlossen.

Erfolge lenken ab

Ausgerechnet das Krankenhaus sei der Ort, an dem sie gerade Kraft schöpfen können; der Ort, an dem die schlechten Nachrichten und Bilder von Verletzten und Toten draußen bleiben. "Meine Arbeit ist meine Therapie", sagt die Chefärztin. Die Behandlung der Kleinsten und die gemeinsamen Erfolge lenken ab von der Welt draußen. 

Hiyam Marzouqa, Chefärztin des Caritas Baby Hospitals, am 20. November 2023 im Krankenhaus in Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Hiyam Marzouqa, Chefärztin des Caritas Baby Hospitals, am 20. November 2023 im Krankenhaus in Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Da ist zum Beispiel der kleine Mohammed aus Hebron mit einem Geburtsgewicht von 650 Gramm, kleiner als jedes andere Frühchen. Jede Woche dokumentieren das Krankenhausteam seine Fortschritte mit einem Foto und freuen sich mit den Eltern, die "voller Hoffnung" sind und ihre positive Stimmung auf das Krankenhausteam übertragen. "Alle beten für dieses Kind. Gestern habe ich in der Geburtskirche eine Kerze für ihn angemacht."

Hauptstraße gesperrt 

Mohammed ist mit dem Krankenwagen nach Bethlehem gekommen, weil niemand sonst ihn behandeln konnte. Mitpatientin Rimas aus dem Flüchtlingslager Al-Aroub zwischen Bethlehem und Hebron wurde mit Fieber, Kopf- und Rückenschmerzen eingeliefert; der Weg ins Krankenhaus führte über viele kleine Seitenstraßen. 

Die Hauptstraße sei gesperrt gewesen, erzählt die Zwölfjährige. Im Caritas Baby Hospital kümmert sich Rimas' Oma aus Bethlehem um das Mädchen. Die Eltern können aufgrund der Lage nicht bei ihrer Tochter sein.

Viele kommen erst gar nicht

Viele kleine Patienten bleiben aufgrund der schwierigen Lage ganz weg, "weil sie nicht kommen können, weil die Eltern Angst haben, dass sie nicht wieder zurückkommen und weil die Menschen in dieser Zeit sich ungern länger von ihren Familien entfernen", so die Chefärztin. Das Resultat: Statt wie sonst um diese Jahreszeit überbelegt, ist das Krankenhaus derzeit deutlich weniger ausgelastet.

Zudem gehe man noch sorgsamer mit Ressourcen um als sonst sowieso schon, "weil der Nachschub nicht garantiert ist". Noch sei die finanzielle Lage der Klinik in Ordnung, auch wenn 2022 ein Spendenrückgang zu verzeichnen war; "möglicherweise wegen des Ukraine-Kriegs". Fundraising in Europa werde zunehmend schwierig, wissen die Träger.

Geldsorgen

Nicht nur im Krankenhaus sorgt man sich um die finanziellen Folgen des Krieges. Vielen Familien im Raum Bethlehem ist mit dem Einbruch des Tourismus das Einkommen weggebrochen. Hotels, sonst für Weihnachten ausgebucht, stehen leer, die Mitarbeiter: entlassen. 

Auch Palästinenser, die bis 7. Oktober in Israel gearbeitet haben, stehen nun ohne Einkommen da. Im Baby-Hospital reagierte man schnell auf die Lage: Die Mittel zur Unterstützung bedürftiger Kinder durch den spitaleigenen Sozialdienst seien bereits erhöht worden.

Abwanderung keine Option

Die jüngsten Ereignisse werden noch mehr Menschen mit Gedanken an Abwanderung spielen lassen, ist sich die Chefärztin sicher; darunter viele Christen. Zwar hat sie Verständnis für jene, denen es schwerfällt, die politischen Spannungen auszuhalten. Für sie selbst sei Auswandern aber keine Option. "Kinder sind unschuldig an der Situation; und sie und ihre Familien brauchen uns im Spital umso mehr."

Wenigstens eine positive Sache kann Marzuka der Situation aber auch abringen. Nicht ohne Galgenhumor stellt sie fest: "Es ist so viel abgeriegelt, es kommen keine Touristen und viele Schulen unterrichten online, so dass sich weniger Kinder mit den winterüblichen Infekten anstecken."

Menschen verdienen Frieden

Im Caritas Baby Hospital versucht man unterdessen, konstruktiv mit der Krise umzugehen. "Wir nutzen die niedrige Belegung für Dinge, für die wir sonst im hektischen Alltag wenig Zeit haben." Weiterbildungen erfolgen nun intensiv. 

"Wir arbeiten an Richtlinien, bieten Workshops fürs Personal an, arbeiten an Kommunikation und Qualitätsmanagement", sagt Hijam Marzuka. "Es wäre ein Traum, wenn aus diesem Krieg am Ende sogar etwas Gutes entsteht", formuliert die Ärztin ihren persönlichen Weihnachtswunsch. "Menschen auf beiden Seiten verdienen Frieden!"

Die Stadt Bethlehem

Das rund zehn Kilometer südlich von Jerusalem gelegene Bethlehem ist seit 1996 Teil der autonomen Palästinensergebiete. Die knapp 30.000 Einwohner zählende Stadt ist laut den biblischen Berichten der Geburtsort Jesu. Im Zusammenhang mit der Volkszählung unter dem römischen Kaiser Augustus heißt es beim Evangelisten Lukas: "Auch Josef machte sich auf den Weg. Von Nazareth in Galiläa ging er nach Bethlehem, das in Judäa liegt. Das ist der Ort, aus dem König David stammt."

Bethlehem (epd)
Bethlehem / ( epd )
Quelle:
KNA