Backhaus zieht Bilanz des ersten Jahres als Bibelwerkschef

"Bibelpastoral ist kein Sahnehäubchen"

Am 1. Januar 2010 hat Franz Josef Backhaus sein neues Amt als Chef des Katholischen Bibelwerks angetreten. Er zieht Bilanz seiner ersten 365 Tage in Stuttgart und spricht über die Zukunft der Katholischen Bibelföderation.

Autor/in:
Michael Jacquemain
 (DR)

KNA: Herr Backhaus, wie ist es Ihnen im ersten Jahr als Direktor der Katholischen Bibelwerks ergangen? Kommen Sie als Westfale in Schwaben zurecht?
Backhaus: Sehr gut sogar. Bei der Sprache muss man sich natürlich anpassen und bestimmte Vokabeln lernen. Weniger für die Stadt Stuttgart, aber an meinem neuen Wohnort Waiblingen geht es schon recht schwäbisch zu. Aber im Grunde genommen könnte man mit einem Augenzwinkern sagen, dass die Schwaben auch ausgewanderte Westfalen sein könnten.

KNA: Und beim Bibelwerk?
Backhaus: Ich kenne jetzt Haus, Mitarbeiter und Gremien. Zudem begleite ich die Heftplanung von "Bibel und Kirche", "Bibel heute" sowie "Welt und Umwelt der Bibel". Aber das Wichtigste in diesem Jahr: Wir haben unsere Internetseite völlig überarbeitet. Wir bieten jetzt einen riesigen Pool an Informationen zur Heiligen Schrift an.

KNA: Sie hatten angekündigt, sich mehr um die neuen Medien kümmern zu wollen.
Backhaus: Ja, die Internetseite wird so etwa wie unsere vierte Zeitschrift. Unser Plan ist, einen Fernkurs "Bibel online" auf den Weg zu bringen. Zielgruppen sind vor allem Jugendliche und Männer.
Das Konzept steht, klären müssen wir noch die Finanzierung.

Ein weiteres Thema ist Fundraising. Wir erhalten zwar Zuschüsse des Bistums Rottenburg-Stuttgart und der Deutschen Bischofskonferenz, aber die dürften sicher nicht steigen. Wir brauchen ein weiteres Finanzierungsstandbein, und das wollen wir im nächsten Jahr zum Laufen bringen.

KNA: Ihre Zeitschrift "Welt und Umwelt der Bibel" soll mehr an die Kioske kommen".
Backhaus: Ja, das wollen wir 2011 intensivieren. Vor allem wollen wir das Layout, den Aufbau und den Inhalt der Zeitschrift optimieren und hoffen so, neue Käufer zu gewinnen.

KNA: In seinem vor einigen Wochen veröffentlichten Lehrschreiben "Verbum Domini" äußert sich Papst Benedikt XVI. zur Bibelwissenschaft, also zu Ihrem Tätigkeitsfeld. Wie beurteilen Sie das Apostolische Schreiben?
Backhaus: Es hat sehr gute Seiten. Die historisch-kritische Methode der Bibelforschung wird ausdrücklich gewürdigt. Aber es wird auch gesagt, dass diese Methode alleine, also ohne Rückbezug zur Tradition, nicht ausreicht. Rom will, dass diese Methode in den Glauben der katholische Kirche eingebunden wird. Ein Exeget ist nicht nur Philologe, sondern auch ein gläubiger Mensch, der mit religiösen Texten umgeht.

Interessant ist, dass der Papst in seinem Schreiben ein schönes Bild aus der Musik verwendet: Er beschreibt die Heilige Schrift als Symphonie, in der Jesus das entscheidende Solo zukommt. Das ist ein sehr spannender Gedanke, auch wenn einige Exegeten dieses Bild für schwierig halten, weil sie mehr den dialogischen Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament betonen. Nicht alle Texte des Alten Testaments zielen auf Jesus Christus hin. Sehr gut ist, dass die jüdische Exegese gewürdigt wird, dass christliche Wissenschaftler schauen sollen, was ihre jüdischen Kollegen denken. Und: Die Bibelpastoral wird als Seele der gesamten Seelsorge gesehen. Die Bibelpastoral ist kein Sahnehäubchen, sondern Quelle.

KNA: Gefährdet das Dokument die Wissenschaftlichkeit der Bibelforschung?
Backhaus: Nein. Es ist Aufgabe der Exegeten, ihre Ergebnisse mit dem Glauben der Kirche zu verbinden.

KNA: Ein Beispiel: Wenn die moderne Bibelwissenschaft feststellt, dass Paulus nicht Autor des Zitates ist, die Frau habe in der Kirche zu schweigen, müsste das die Wahrnehmung von Paulus verändern. Hier wäre ein Gegensatz zwischen Bibelwissenschaft und Tradition möglich.
Backhaus: Das kann, muss aber nicht sein. Es muss natürlich Räume geben, in denen solche Fragen thematisiert werden. Wir müssen auch die Ergebnisse der feministischen Exegese mit der Tradition zu vermitteln versuchen.

KNA: Bei der Katholischen Bibelföderation (KBF), dem weltweiten Zusammenschluss der Bibelwerke, scheint nach quälenden Auseinandersetzungen ein Neuanfang möglich, wenn 2011 Generalsekretär Alexander Markus Schweitzer die Einrichtung verlässt.
Backhaus: Im nächsten Jahr gibt es eine außerordentliche Vollversammlung der KBF, und damit endet die Amtszeit von Herrn Schweitzer. Dann ist tatsächlich ein Neuanfang möglich.

KNA: Werden dann das Katholische Bibelwerk und andere katholisch Mitgliedsorganisationen wieder Mittel an die KBF zur Verfügung stellen?
Backhaus: Ja.

KNA: Ist dann auch ein Rückumzug der KBF, die im Vorjahr von Stuttgart nach Sankt Ottilien gewechselt ist, in die baden-württembergische Landeshauptstadt ein Thema?
Backhaus: Ich vermute, dass die KBF zunächst in Sankt Ottilien bleiben, langfristig aber nach Rom übersiedeln wird. Die Frage des Standortes wird sicher auch auf der außerordentliche Vollversammlung thematisiert.