Baden-Württembergs Landtagspräsidentin will sich nicht über Religion definieren

"Starkes Signal für Zugewanderte"

Mit der Alevitin Muhterem Aras steht erstmals eine Muslima einem deutschen Parlament vor und zum ersten Mal eine Frau in diesem Amt in Baden-Württemberg. Im Interview spricht die Grünen-Politikerin Aras über ihre Ideen.

 Muhterem Aras bei der konstituierenden Sitzung in Stuttgart / © Christoph Schmidt (dpa)
Muhterem Aras bei der konstituierenden Sitzung in Stuttgart / © Christoph Schmidt ( dpa )

KNA: Frau Aras, Sie haben jetzt die ersten Sitzungen als neue Landtagspräsidentin geleitet. Sind Sie zufrieden?

Aras: Im Großen und Ganzen schon.

KNA: Waren Sie nervös?

Aras: Na klar. Schließlich wurde ich nicht als Landtagspräsidentin geboren. Und die Vereidigung eines Ministerpräsidenten - das geht einem schon unter die Haut.

KNA: Wie hat Ihre Familie auf das neue Amt reagiert?

Aras: Sie ist stolz und dankbar. Meine Eltern hatten nach meiner Wahl sogar Tränen in den Augen.

KNA: Mit 42,4 Prozent waren Sie im März die Stimmenkönigin ihrer Partei. Ihr Ergebnis im Landtag war eher bescheiden.

Aras: Aber ich habe mehr Stimmen bekommen, als die beiden Koalitionsfraktionen Abgeordnete haben. Und ich verstehe mich als die Präsidentin auch derer, die mich nicht gewählt haben.

KNA: Sie sind, was AfD-Politiker kritisiert haben, die erste Muslimin in dem Amt...

Aras: ... und trotzdem möchte ich meine Religion nicht in den Vordergrund stellen. Ich will nicht auf die Religion reduziert oder darüber definiert werden. Es war vielmehr an der Zeit, dass erstmals eine Frau dem Parlament vorsteht.

Meine Wahl ist auch ein Zeichen für die Toleranz und Weltoffenheit Baden-Württembergs. Und ein starkes Signal für Zugewanderte: Es lohnt sich, sich in diese Gesellschaft einzubringen. Eine solche Wahl wäre nicht in vielen Ländern möglich gewesen.

KNA: Was ist Ihnen in der neuen Rolle wichtig?

Aras: Eine faire, respekt- und würdevolle Debattenkultur. Die Ausstrahlungskraft des Parlaments und das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an den demokratischen Prozessen sollte gesteigert werden.

Die Errungenschaften unseres wunderbaren Grundgesetzes müssen verteidigt werden. Wir müssen uns klarmachen, dass wir gemeinsam mehr für unsere Grundwerte kämpfen müssen.

Es gibt keinen Automatismus, dass das immer so bleibt. Mein Ziel ist es, neue Formate zu entwickeln, um mit den Bürgerinnen und Bürgern den Dialog zu verstärken. Und dazu brauchen wir Stiftungen, Kirchen und Gewerkschaften als Partner. Debatten auf breiter Front sind nötig.

KNA: Sie wollen die Abwanderung von Gesetzgebungskompetenzen aus dem Landtag nach Berlin und Brüssel verhindern. Wie soll das aussehen?

Aras: Über dieses Thema möchte ich mich zunächst mit den Vertretern anderer Landesparlamente austauschen. Dann sollten wir gemeinsam handeln. Grundsätzlich gilt es, weitere Kompetenzverluste zu verhindern.

Das Interview führte Michael Jacquemain.

 


Quelle:
KNA