Gegen die Vermännlichung der Gesellschaft in der Moderne habe der Theologe Joseph Ratzinger seine marianisch geprägte Kirche gestellt, erläutert Barbara Vinken: „Ratzinger hat auch als Papst Benedikt immer wieder darauf hingewiesen, dass es ein Irrtum der Moderne sei, dass der Mensch sich selbst bestimmen und selbst behaupten könne“. Damit greife er das männliche Prinzip der möglichen Selbstbehauptung des einzelnen, den Egozentrismus in der modernen Gesellschaft an und setzt seine Theologie der Verfraulichung, der liebenden Selbstpreisgabe in Person der Maria, der Mutter Gottes dagegen.
In der Aufklärung wurde die Position des Priesters scharf angegriffen. Die Überwindung der Geschlechtlichkeit durch das keusche Leben des katholischen Priesters wurde diffamiert. „Die Keuschheit wurde und wird bis heute als widernatürlich, pervers und hysterisch verunglimpft“, erzählt Barbara Vinken im domradio.de Interview. Denn die Aufklärer definierten Frau und Mann von ihrer biologischen Gesetztheit aus. Daraus folgerten sie, sei das Rollenbild der Frau als Gebärerin und Mutter abzuleiten, während der Mann als zeugender Ernährer auch in der Hierarchie der Geschlechter den Ton angibt.
Die katholische Kirche sprenge mit ihrer Überwindung der biologischen Geschlechtergrenzen durch den Priester als keusche Braut der Mater Ecclesiae die Rollenzuweisungen der Moderne. „Der katholische Priester legt so das bürgerliche, patriarchale Mann-Sein ab. Er ist die einzige Figur in unserer Gesellschaft, in der das noch passiert“. Damit biete die katholische Kirche ein Menschenbild an, das uns ermögliche, die ganzen Probleme, die durch die Geschlechterbilder nach der Reformation und durch den französischen Republikanismus aufgetaucht seien, noch einmal neu aufzurollen.