Schafft die Katholikin den Sprung ins oberste US-Gericht?

Barrett stellt sich den US-Senatoren

Das Bestätigungsverfahren für Amy Coney Barrett verläuft im Justizausschuss des US-Senats kontrovers. Die Republikaner wollen ihre Kandidatin für das oberste US-Gericht noch vor den Wahlen am 3. November ins Amt heben.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Anhörung von US-Richter-Kandidatin Barrett im Kapitol / © Patrick Semansky/AP (dpa)
Anhörung von US-Richter-Kandidatin Barrett im Kapitol / © Patrick Semansky/AP ( dpa )

Als die Bundesrichterin ihre Maske abnimmt, um sich der Öffentlichkeit vorzustellen, hörte kaum einer der Anwesenden mehr richtig zu. Die Senatoren im Justizausschuss haben zum Auftakt der viertägigen Anhörung der ehemaligen Rechtsprofessorin der katholischen Universität Notre Dame und Kandidatin für das oberste US-Gericht, Amy Coney Barrett (48), bereits den Frontverlauf abgesteckt. "Alle Republikaner werden mit 'Ja' stimmen, alle Demokraten mit 'Nein'", stellt der Ausschuss-Vorsitzende, Lindsey Graham, fest, bald nachdem er die Anhörung mit einem Hammerschlag eröffnet hat.

Parteien und Supreme Court-Richter

Es sei ein trauriges Zeichen, dass politisch so verschiedene Richter wie die jüngst verstorbene Ruth Bader Ginsburg, deren Platz Barrett übernehmen soll, und deren konservativer Gegenspieler im Supreme Court einst fast einstimmig von beiden Parteien bestätigt worden seien. "Ich weiß nicht, was zwischen damals und jetzt passiert ist", beklagt Graham.

Mehrere Demokraten haben dem Republikaner Erklärungen angeboten - unter anderem das von der demokratischen Minderheit als scheinheilig empfundene Verhalten seiner Partei. Die Republikaner hatten in einer vergleichbaren Situation 2016 über zehn Monate lang eine Anhörung des Richterkandidaten des damaligen US-Präsidenten Barack Obama verweigert. So kurz vor den Wahlen sollten die Amerikaner das letzte Wort haben und erst der nächste Präsident entscheiden, der dann Donald Trump hieß.

Graham selber gelobte damals in einem Fernsehinterview, er würde dasselbe tun, wenn die Republikaner kurz vor den Wahlen die Chance hätten, einen Sitz im Supreme Court zu besetzen. "Sie können meine Worte gerne gegen mich verwenden." Die ranghöchste Demokratin im Ausschuss tat nun genau das. "Wir haben noch genau 22 Tage vor den Präsidentschaftswahlen," kritisierte Dianne Feinstein aus Kalifornien das zeitlich komprimierte Verfahren für Barrett. "Die Republikaner machen maximalen Druck, um ihre Mehrheit im Gericht zu konsolidieren."

Lebensschutz und Gesundheitsreform

Während auf beiden Seiten Hoffnungen beziehungsweise Ängste bestehen, was eine Bestätigung der erklärten Abtreibungsgegnerin bedeutet, umschifften alle Anwesenden das Thema Lebensschutz. Die Demokraten konzentrierten ihre inhaltliche Kritik stattdessen auf die Befürchtung, Barrett könnte Barack Obamas Gesundheitsreform kassieren, wenn der Supreme Court eine Woche nach den Wahlen darüber berät.

Die demokratische Vizepräsidentschafts-Kandidatin Kamala Harris, die sich wegen zwei Covid-19-positiv getesteter Senatoren der Republikaner via Video-Link zuschaltete, sagte, die Anhörung sei "der klare Versuch, eine Kandidatin für das Verfassungsgericht durchzupeitschen, die während einer Pandemie, die 214.000 Amerikaner getötet hat, die Gesundheitsversorgung von Millionen Menschen wegnehmen will."

Thema Religion

Umgekehrt versuchten die Republikaner, den Glauben Barretts zu thematisieren. Senator Josh Hawley aus Missouri hielt den Demokraten vor, sich der katholischen Kandidatin gegenüber so feindlich zu verhalten wie einst der englische König Heinrich VIII. gegen den Papst. "Wenn Sie jemandem sagen, er sei zu katholisch, um auf der Richterbank Platz zu nehmen, dann ist das Bigotterie", so Hawley.

Tatsächlich hat das niemand gesagt. Vielmehr vermieden die Demokraten das Thema Religion bei der Anhörung wie die Gäste einer amerikanischen Dinnerparty. Barrett selber versuchte Zweifel an ihrer Parteilichkeit und am Einfluss ihres katholischen Glaubens auf ihr Rechtsverständnis zu zerstreuen. "Gerichte sind nicht da, um jedes Problem und alles, was in unserem öffentlichen Leben verkehrt läuft, zu korrigieren", meinte sie.

Diskussion um Vergabe des obersten Richterpostens

Die konservative Bundesrichterin am siebten Berufungsgericht von Chicago sieht sich in der Tradition des verstorbenen Verfassungsrichters Antonin Scalia, für den sie als junge Juristin arbeitete. Barrett zitierte ihn: "Ein Richter muss das Recht anwenden, wie es geschrieben steht, nicht wie es der Richter sich wünscht."

Donald Trump hofft, mit der Bestätigung Barretts kurz vor den Wahlen am 3. November eine konservative 6:3-Mehrheit im obersten Gericht zu zementieren - die Richterstellen gelten auf Lebenszeit. Politisch geht er damit ein Risiko ein. Eine Mehrheit von 52 zu 44 Prozent der Befragten einer Umfrage von "Washington Post" und dem Sender ABC ist dagegen, den vakanten Sitz am obersten Gericht unmittelbar vor den Wahlen zu besetzen.

An diesem Dienstag und Mittwoch muss sich Barrett einer Befragung der Senatoren stellen, am Donnerstag sagen Zeugen für und gegen die Kandidatin aus. Die Abstimmung im Justizausschuss ist für den 22. Oktober geplant.


Quelle:
KNA