Bartholomäus I. zu Besuch in Bonn

Orthodoxer Patriarch betont christliche Wurzeln Europas

Der Kontinent sei in seinen Wurzeln und seiner Seele christlich, sagte das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie am Dienstag in Bonn bei einer Begegnung mit Vertretern der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Bartholomäus I., Patriarch von Konstantinopel (epd)
Bartholomäus I., Patriarch von Konstantinopel / ( epd )

Der ökumenische Patriarch Bartholomäus I. von Konstantinopel sprach sich bei seinem Besuch in Bonn für einen EU-Beitritt der Türkei aus. Eine Mitgliedschaft des muslimisch geprägten Landes könne eine "gegenseitige Bereicherung" bedeuten. Zugleich unterstrich er die christliche Prägung Europas.

Manche Kreise in der Türkei hielten die EU für einen "Christenclub", sagte der Patriarch. Doch die Union habe bereits viele Öffnungen hinter sich, auch in Richtung der nichtchristlichen Welt. Die Werte der EU seien zeitlos und gälten für die ganze Menschheit. Sie könnten auch von einem nichtchristlichen Staat ohne weiteres getragen werden, fügte Bartholomäus I. hinzu. Vor einem Beitritt müsse die Türkei allerdings die Kriterien für die Mitgliedschaft erfüllen.

Verurteilung der Christenverfolgung

Mit scharfen Worten verurteilte das orthodoxe Ehrenoberhaupt die Angriffe gegen Christen in aller Welt. Zahllose Gläubige, "gleich welcher Konfession oder Nationalität", würden heute Opfer von Verfolgungen. Auch seien viele Kirchengebäude geschändet oder zerstört worden. Als Beispiele nannte der Patriarch Syrien und Ägypten. Dort und im gesamten Nahen Osten spürten die Christen täglich die "Plage der Verfolgungen". Auf die bedrängte Situation der christlichen Minderheit in seiner türkischen Heimat ging das Kirchenoberhaupt nicht ein.

Protestanten zur Selbstkritik aufgefordert

Der Patriarch rief die evangelische Kirche auf, das bevorstehende Reformationsjubiläum auch zur "Selbstkritik und Selbsthinterfragung" zu nutzen und zu fragen, wie die Kirchenspaltung habe geschehen können. Dies sei nicht als Kritik zu verstehen, sondern als Wunsch nach einer "weiteren und tieferen Annäherung", betonte Bartholomäus.

2017 jährt sich der Beginn der Reformation zum 500. Mal.

Zurückhaltend äußerte sich der Patriarch zu einer möglichen Vereinigung der getrennten Christenheit: "Diese Frage müssen wir unserem guten Gott stellen. Nur er weiß, wann und wie die Einheit kommt."

"Dialog der Liebe" mit den Katholiken

Bartholomäus I. würdigte die Beziehungen zwischen der Orthodoxie und der katholischen Kirche. Es gebe einen "Dialog der Liebe und der theologischen Wahrheit". Der Patriarch verwies zudem auf die bevorstehende Begegnung mit Papst Franziskus im Heiligen Land. Beide Kirchenführer wollen sich Ende Mai in Jerusalem treffen. Der theologische Dialog zwischen katholischer und griechisch-orthodoxer Kirche war im Jahr 2006 nach mehrjähriger Unterbrechung wieder aufgenommen worden.

Eine halbe Million griechisch-orthodoxer Christen in Deutschland

Der Patriarch hält sich zu einem neuntägigen Besuch in Deutschland auf. Anlass ist das 50-jährige Bestehen der griechisch-orthodoxen Metropolie in der Bundesrepublik, die in Bonn sitzt. Bartholomäus I. dankte den beiden großen Kirchen sowie den Behörden für die Hilfe, "die sie den orthodoxen Christen hier gewährt haben". Die Metropolie war im Jahr 1963 gegründet worden. In Deutschland leben inzwischen rund 500.000 griechisch-orthodoxe Christen.

Seinen Deutschlandbesuch setzt Bartholomäus I. am Mittwoch in Berlin fort. Dort trifft er mit Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel sowie Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) zusammen. Für den Abend ist eine Begegnung mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorgesehen, an ihrer Spitze der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider.


Quelle:
epd