Bayrischer Ex-Ministerpräsident Beckstein zur Flüchtlingspolitik

"Trotz des Christlichen keine offenen Grenzen"

Die Regierungsparteien streiten über die Flüchtlingspolitik. Die Union hat sich nun in verschiedenen Punkten geeinigt, die SPD lehnt geforderte Transitzonen ab. Bayerns ehemaliger Ministerpräsident Günther Beckstein sieht Grenzen.

Günther Beckstein (epd)
Günther Beckstein / ( epd )

domradio.de: Gestern gab es ein Treffen des CSU-Vorstandes, um über das weitere Vorgehen in der Flüchtlingskrise zu beraten. Zu welchen Ergebnissen sind Sie denn dort gekommen, Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich danach ja zufrieden und zuversichtlich gegeben?

Günther Beckstein: In der Tat. Für uns sind zwei Punkte von großer Bedeutung. Die eine Position liegt darin, dass wir natürlich mit großer Intensität und großem, offenem Herzen den Menschen helfen wollen, die als Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern zu uns kommen. Auf der anderen Seite ist ebenfalls klar, dass wir nicht alle Probleme der Welt bei uns in Deutschland lösen können. Deswegen war es für uns von großer Bedeutung, dass wir gemeinsam mit der Bundeskanzlerin sagen, dass wir die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge reduzieren. Die Reduzierung der Anzahl der Flüchtlinge ist jetzt in der Union verabredet. Für die Umsetzung muss nun eine ganze Reihe von Maßnahmen erfolgen. Es müssen Absprachen mit der Türkei getroffen werden, mehr Leistungen in die Flüchtlingslager der Nachbarländer von Bürgerkriegsregionen gesteckt werden, und es müssen Transitzonen eingerichtet werden, um die Menschen aus sicheren Herkunftsländern gar nicht erst einreisen zu lassen. Diese Punkte will man jetzt gemeinsam mit der SPD auch verabreden.

domradio.de: Am Wochenende hat sich die Union geeinigt, dass in Zukunft direkt an der deutschen Grenze - durch sogenannte Transitzonen - entschieden werden soll, wer einreisen darf und wer nicht, und auch von einer geplanten Begrenzung des Familiennachzugs ist die Rede. Inwiefern kann man diese Ergebnisse mit dem "C" im Parteinamen vereinbaren?

Günther Beckstein: Wir haben ja Transitzonen am Flughafen. Wir haben, trotz des Christlichen, keine offenen Grenzen. Nicht jeder Mensch der Welt kann nach Deutschland kommen und hohe Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Das würde uns offensichtlich überfordern. Die Idee der Transitzonen an den Flughäfen wird jetzt an die Grenzen übertragen. Menschen aus Ländern, die zur Einreise ein Visum brauchen, oder Menschen, die keinen Pass haben, dürfen dann eben nicht einreisen. Sie werden dann entweder zurückgewiesen oder - wenn sie nicht wieder nach Österreich zurückwollen, woher die meisten kommen - sie müssen abwarten, bis ein Verfahren feststellt, ob sie in Deutschland bleiben können. Sie sollen aber nun nicht erst einmal einreisen, um dann nach einem Verfahren mitgeteilt zu bekommen, dass sie doch nicht bleiben dürfen. Auch das Christliche kann nicht dazu führen, dass wir sämtliche Not der Welt in Deutschland lösen. Der Bundespräsident hat es in die schönen Worte gefasst: "Unser Herz ist weit, aber die Möglichkeiten, zu helfen, sind begrenzt." Tage, an denen viele Flüchtlinge, 10.000 bis 12.000 Menschen kommen, überfordern uns auf Dauer einfach.

domradio.de: All die Maßnahmen, die Sie anstreben, sind aber nur Hoffnungen. So richtig beschließen kann man das Thema nicht, das hat man nicht richtig in der Hand, oder?

Günther Beckstein: Das ist klar. Deswegen ist gestern bei uns gesagt worden, dass die Transitzonen natürlich nur ein Mittel sind. Es kommen noch andere Mittel dazu. Diese Mittel beinhalten, dass man Geld in die Flüchtlingslager gibt, damit die Menschen dort ordentlich mit Lebensmitteln und medizinischer Hilfe versorgt werden und eine Schulbildung erhalten. Das ist aber nicht nur die Aufgabe Deutschlands. Da muss die ganze EU mithelfen. Aber es muss auch die internationale Gemeinschaft, es müssen die USA und die Emirate Geld geben. Der zweite Punkt sind Vereinbarungen mit der Türkei, um zu einer Begrenzung zu kommen, denn letztlich sind die Menschen, die in einem Flüchtlingslager in der Türkei leben, in Sicherheit. Deswegen muss man nicht hinnehmen, dass an jedem Tag 5.000 bis 10.000 Menschen eine lebensgefährliche Fahrt über die Ägäis wagen. Die Türken müssen das wieder stärker steuern. Und der dritte Punkt ist schließlich, dass wir in Europa zu besseren Lösungen der Verteilung kommen. Wir müssen Kontingente schaffen, um insgesamt als Europa diese menschlichen Probleme zu bewältigen. Wir als Deutsche und wir als Bayern wollen helfen, soweit wir das können. Wer die Bilder sieht, wie die Turnhallen im grenznahen Raum in Bayern belegt sind, der weiß, dass wir die Menschen, die zu uns kommen, mit großer Herzenswärme aufnehmen. Das "C" gebietet uns das. Aber, wie gesagt, sind die Hilfsmöglichkeiten endlich. Man muss übrigens auch berücksichtigen, wie viele Menschen wir aus den ganz anderen Kulturkreisen überhaupt integrieren und in unsere Leitkultur aufnehmen können.

domradio.de: Was erwarten Sie vom Koalitionstreffen am kommenden Donnerstag?

Günther Beckstein: Ich erwarte, dass die SPD sagt, man müsse die Zahlen der zu uns kommenden Flüchtlinge reduzieren. Auch die Kommunalpolitiker der SPD in Bayern sind völlig einhellig der Meinung, dass die jetzt aufzunehmende Zahl uns vom Menschlichen, vom Finanziellen und von der Möglichkeit der Integration her überfordert. Das würde zu Spannungen führen. Wenn wir diese Einigkeit erzielt haben, müsste man fragen, welche Möglichkeiten der Umsetzung sich ergeben. Wenn die SPD bessere Vorschläge als die Transitzonen hat, dann kann man darüber reden. Allerdings können wir diese Einreisezentren, die Herr Gabriel vorschlägt, nicht akzeptieren, denn die haben wir in Bayern bereits. Die gibt es in Erding und Bamberg. Es ist sehr viel schwieriger, einen Menschen nach ein paar Monaten oder zwei Jahren aus Deutschland auszuweisen, als sie nicht erst einreisen zu lassen. Die Humanität ist auch nicht größer, wenn man einen Menschen ein bis zwei Jahre im Ungewissen lässt. Es ist besser, wenn sie gleich erfahren, dass sie nicht hierher kommen können.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Quelle:
DR