Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich über den Tod seines Vorgängers sehr bestürzt. "Wir verlieren einen großartigen Menschen und ein herausragendes Staatsoberhaupt. Richard von Weizsäcker hat das Amt des Bundespräsidenten auf bleibende Weise geprägt", schrieb Gauck in einem Kondolenzschreiben an von Weizsäckers Witwe Marianne.
"Als Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Mitglied des Deutschen Bundestages und Regierender Bürgermeister von Berlin hat er Brücken zu den Nachbarn gebaut. Das gilt in besonderer Weise auch für sein Wirken als Bundespräsident", so Gauck weiter.
"Christliches Erbe lebendig gehalten"
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat den verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker als herausragende politische Persönlichkeit gewürdigt. "Richard von Weizsäcker war der Bundespräsident der deutschen Einheit. Mit hohem persönlichen Engagement hat er an der Umsetzung der Einheit unseres Landes mitgewirkt", heißt es in einer Stellungnahme am 31. Januar in Bonn. Von Weizsäcker sei auf die Menschen zugegangen, um Hoffnungen und Ängste der Wiedervereinigung zu verstehen.
Als Präsident des Evangelischen Kirchentages und als Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sei von Weizsäcker auch die Ökumene ein Anliegen gewesen. "Wer dem früheren Bundespräsidenten begegnete, spürte das Anliegen des Verstorbenen: Er wollte das christliche Erbe unseres Landes lebendig halten. Richard von Weizsäcker war ein Mann des offenen Wortes, der aus der Kraft des Gebets gelebt und gehandelt hat", erklärte Kardinal Marx. Für ihn sei vor allem das gemeinsame Suchen der Kirchen nach gesellschaftlichem Engagement von Bedeutung gewesen.
Vita und politische Karriere
Der Diplomatensohn Richard von Weizsäcker wurde am 15. April 1920 in Stuttgart geboren. Als Soldat nahm er am Zweiten Weltkrieg in Polen und der Sowjetunion teil, wobei er mehrfach verwundet wurde. Nach Kriegsende studierte von Weizsäcker Rechtswissenschaften und Geschichte und half bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen bei der Verteidigung seines Vaters Ernst von Weizsäcker, der zu mehrjähriger Haft verurteilt wurde.
Weizsäcker war während und nach dem Studium im Bankwesen sowie in Industrieunternehmen führend tätig. 1954 trat er in die CDU ein und war von 1964 bis 1970 und von 1979 bis 1981 Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, von 1969 bis 1984 Mitglied der Synode und des Rates der EKD sowie des Zentral- und Exekutivausschusses des Weltkirchenrats. Auf Vorschlag von Helmut Kohl kam er 1966 in den CDU-Bundesvorstand. In den Bundestag zog der Vater von vier Kindern 1969 ein, wo er zum stellvertretenden Unionsfraktionschef aufstieg.
Die deutsche Teilung erlebte Weizsäcker nicht zuletzt als Regierender Bürgermeister von Berlin in den Jahren von 1981 bis 1984 hautnah. Auch als Bundespräsident ab 1984 setzte er sich für die Aussöhnung mit dem Ostblock und Gespräche mit der DDR ein. 1985 hielt er 40 Jahre nach Kriegsende im Bundestag seine wohl bedeutendste Ansprache. Weizsäcker bezeichnete das Datum als Tag der Befreiung von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Nicht Verdrängen und Vergessenwollen gebe die Chance zum Neubeginn, sondern Erinnerung und Besinnung.