Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zollt Papst Franziskus große Anerkennung. "Diesem Papst Franziskus fühle ich mich verbunden. Als er gewählt wurde und ich seinen Namen als Papst hörte, habe ich einen innerlichen Luftsprung gemacht", sagte Bedford-Strohm der Wochenzeitung "Die Zeit" vor einem für Donnerstag geplanten Treffen mit dem Pontifex.
Treffen im Vatikan
Die Begegnung im Vatikan ist die erste Zusammenkunft der beiden Kirchenführer. Der 56 Jahre alte Bedford-Strohm, der zugleich bayerischer Landesbischof ist, steht seit fast anderthalb Jahren an der Spitze der EKD. Der 79-jährige Franziskus ist seit drei Jahren im Amt. Bedford-Strohm sagte, der aus Argentinien stammende Papst mache einen großen Eindruck auf ihn: "Das liegt nicht nur an seinem Engagement für Flüchtlinge, sondern auch daran, dass er die Armen ins Zentrum stellt."
Als Gastgeschenk für den Papst hat der lutherische Theologe Bedford-Strohm seine Doktorarbeit mit dem Titel "Vorrang für die Armen. Auf dem Weg zu einer theologischen Theorie der Gerechtigkeit" im Gepäck. Die lateinamerikanische Theologie der Befreiung habe ihn als jungen Wissenschaftler intensiv beschäftigt, sagte der 56-Jährige: "Von meiner Doktorarbeit habe ich zum Weitergeben noch ein letztes Exemplar. Das nehme ich sehr gern zu einem Papst mit, der sich den Namen Franziskus gegeben hat."
Lob und Kritik für Papstschreiben
Bedford-Strohm lobte im Vorfeld Papst Franziskus für dessen Aussagen zu Ehe und Sexualität. "Mir gefällt der markante Ton von Franziskus, wenn er davor warnt, abstrakte moralische Normen zu propagieren. Das habe ich so deutlich noch von keinem Papst gehört", sagte Bedford-Strohm im "Zeit"-Interview mit Blick auf das jüngste Papst-Schreiben "Amoris laetitia" (Die Freude der Liebe). Enttäuscht sei er allerdings von der Passage zu konfessionsverbindenden Ehen.
Dort hätte er sich eine Öffnung der Eucharistie für katholisch-evangelische Paare gewünscht. In dem Papst-Schreiben werde wiederholt, beim Abendmahl hätten sich konfessionsverbindende Ehen nach den katholischen Regeln zu richten, fügte Bedford-Strohm hinzu: "Nur in Ausnahmefällen sollen sie es zusammen feiern. Da würde ich mir ein neues Zeichen wünschen: Die Eheleute sollen nicht nur ihr Bett teilen dürfen, sondern auch am Tisch des Herrn gemeinsam willkommen sein."
"Scheitern kann jeder"
Zum Thema Scheidung sagte Bedford-Strohm, dort sei in der Kirche noch mehr Demut nötig: "Denn scheitern kann jeder. Niemand darf sich einbilden, dass ihm das nicht passieren kann. Wir müssen aufhören, über andere zu richten." Beide Konfessionen müssten die brisante Frage beantworten: "Wie gehen wir mit dem Scheitern um?"
Für homosexuelle Partnerschaften wünscht sich Bedford-Strohm mehr Toleranz und Offenheit. Dort gebe es noch Konfliktpotenzial, nicht nur in der römisch-katholischen Kirche sondern auch in protestantischen Kirchen, etwa in Afrika. Ihn störe, dass "Sexualität noch so häufig mit Sünde verbunden wird", fügte Bedford-Strohm hinzu: "Wir sollten lieber über Sünde reden, wenn Hunderte Menschen im Mittelmeer ertrinken."
"Leitbilder auf alle Lebensformen anwenden"
Die Kirchen dürften nicht mit ihren "Idealen über die Lebenswelt vieler Menschen hinwegsegeln". Die Ehe habe sich bewährt, sagte Bedford-Strohm, "aber wir sind nicht nur für Verheiratete da. Wir müssen unsere Leitbilder auf alle Lebensformen anwenden." Auch Papst Franziskus weise den "alten Richtergeist zurück, gerade in der Sexualität. Dort sind wir besonders verletzlich", betonte der EKD-Ratsvorsitzende, der auch bayerischer Landesbischof ist.