Bedford-Strohm wünscht sich Obergrenze für Kirchen-Gremien

Kreuz stellt weltliche Werte infrage

Die Debatte rund um die künftige Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden sollte auch als kritische Anfrage an die Kirchen verstanden werden, schreibt der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten.

Heinrich Bedford-Strohm / © Wolfgang Kumm (dpa)
Heinrich Bedford-Strohm / © Wolfgang Kumm ( dpa )

Die jüngste Debatte um das Kreuz versteht der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auch als "kritische Anfrage" an die Kirchen. "Warum gelingt es uns so wenig, den christlichen Glauben in die Gesellschaft hinein zu vermitteln?", so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montag). "An der Botschaft des Evangeliums liegt es jedenfalls nicht. Denn die ist richtig stark."

Es gelte, einigen Tatsachen nüchtern ins Auge zu blicken und sich zugleich von einer "Fixierung auf das Bestehende als Maßstab für das Zukünftige freizumachen", fordert Bedford-Strohm. Am Ende der nächsten Dekade hätten die beiden großen Kirchen in Deutschland "aller Wahrscheinlichkeit weniger als 40 Millionen Mitglieder". Zugleich seien viele Strukturen nicht mehr zeitgemäß, um eine Nähe zu den Menschen herzustellen, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende.

"Auf Kosten der Gesundheit"

So werde derzeit eine "Erreichbarkeit für alle" in vielen Gemeinden nur "auf Kosten der Gesundheit der Hauptamtlichen einigermaßen aufrechterhalten". Bedford-Strohm plädiert dafür, Laien verstärkt einzubinden und verkrustete Strukturen in Gremien aufzubrechen.

Weiter sei zu überlegen, ob und inwiefern die theologische Ausbildung von Hauptamtlichen praxisnäher werden müsse. Als problematisch bezeichnet der EKD-Ratsvorsitzende auch eine immer sichtbarer werdende "Spreizung" zwischen einer hoch spezialisierten wissenschaftlichen Theologie und dem Handeln der Kirche.

Eine Chance in der Ökumene?

"Steckt vielleicht auch in einer vertieften ökumenischen Zusammenarbeit eine Chance für vereinte Kräfte?", schreibt der evangelische Landesbischof weiter. "Und haben wir angesichts des Grundtrends schrumpfender Kirchen wirklich schon ausreichend Erprobungsräume eingerichtet, die neue Begegnungen eröffnen, die Entdeckungen jenseits aller mentalen oder tatsächlichen Kirchenmauern und Konfessionsgrenzen erlauben?"

Zugleich spricht sich Bedford-Strohm für Bürokratieabbau und kürzere Entscheidungswege in der Kirche aus. Eine breite Beteiligung aller Interessierten sei gut, "aber für die Zahl der Gremiensitzungen bräuchte es so etwas wie eine Obergrenze, um mehr Zeit für die Kommunikation des Evangeliums in die Welt hinein zu haben", schreibt er.

Gleiches gelte für den Umfang kirchlicher Regelungswerke und die Zahl der Genehmigungsvorgänge, fügte der bayerische Landesbischof in dem Gastbeitrag hinzu, in dem er darüber hinaus erneut Stellung bezog in der Debatte um die künftige Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden.

Kreuz darf nicht reduziert werden

Aus Sicht Bedford-Strohms darf das Kreuz als christliches Symbol nicht vom Staat okkupiert werden. Es könne "nicht auf ein Zeichen einer erfolgreichen Kultur- und Beheimatungsleistung reduziert werden, sondern ist mindestens genauso das Zeichen einer zum Nachdenken bringenden Infragestellung aller weltlichen Werte," schreibt er. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe nach seiner Aussage, wonach das Kreuz nicht Zeichen einer Religion sei, reagiert und erklärt, dass es in allererster Linie ein religiöses Symbol sei, aber auch zu den Grundfesten des Staates gehöre.

"Dass das Kreuz zuallererst eine religiöse Bedeutung hat, darüber scheint jetzt Konsens zu bestehen. Nur indem dies auch wirklich ernst genommen wird, kann es ja überhaupt eine öffentliche Bedeutung geben", argumentiert Bedford-Strohm.

"Kulturelle Demut"

Wenn das Kreuz in öffentlichen Gebäuden hängt, sollte es aus Bedford-Strohms Sicht an das Geheimnis der Erlösung durch Jesus Christus erinnern. Dazu zählten "die im Glauben gewonnene Freiheit, dem Nächsten zu dienen", und Humanität. Das Kreuz lehre eine "kulturelle Demut, die von den Irrwegen der eigenen Kultur weiß und daraus die Konsequenzen zieht".

Im Eingangsbereich aller bayerischen Dienstgebäude soll ab dem 1. Juni ein Kreuz hängen. "Das Kreuz ist grundlegendes Symbol unserer bayerischen Identität und Lebensart", begründe Regierungschef Söder den Kabinettsbeschluss im April und brachte unmittelbar im Anschluss in der Staatskanzlei in München ein Kreuz an.

Geistliche Erneuerung nötig

Die aktuelle Identitätsdebatte sollte auch als kritische Anfrage an die Kirchen verstanden werden, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende. Sie hätten die Aufgabe, den Sinn des Kreuzes öffentlich zu machen. Daraus schlussfolgert der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten, dass kirchliche Reformbemühungen angesichts sinkender Mitgliederzahlen stärker als früher in "eine geistliche Erneuerung eingebettet sein müssen, in eine Besinnung auf glaubwürdige Sprache, tragende Frömmigkeit und ein klares Engagement für den Nächsten". "Wir müssen als Kirche ausstrahlen, wovon wir sprechen", forderte Bedford-Strohm.


Quelle:
epd , KNA
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