Bedford-Strohm zu ethischen Bedenken bei der Reproduktionsmedizin

"Diese Fragen müssen auf den Tisch"

Nicht immer klappt es problemlos mit dem ersehnten Nachwuchs. Die Medizin kennt mittlerweile dafür viele mögliche Lösungen. Sie müssen ethisch hinterfragt werden, meint der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche im Interview.

Mediziner setzten die Eizelle in einer Fruchtbarkeitszentrum zusammen / © Waltraud Grubitzsch (dpa)
Mediziner setzten die Eizelle in einer Fruchtbarkeitszentrum zusammen / © Waltraud Grubitzsch ( dpa )

domradio.de: Die am Wochenende beginnende "Woche für das Leben" wird sich vielen heiklen Fragen annehmen, die sich auch Paare stellen, die einfach nicht mehr weiter wissen. Also sehr persönliche und intime Fragen. In dem Fall ist die Kirche erst einmal ein Außenstehender. Was kann sie dazu beitragen?

Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm (Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland): Natürlich ist das etwas sehr Persönliches. Es ist auch wichtig, dass wir die vielen einzelnen Geschichten und auch Leidensgeschichten in unsere Überlegungen mit einbeziehen. Was auch immer die Kirche zu dem Thema sagt, beruht darauf, dass die Kirche darüber, aber auch über die ethischen Fragen, die dahinter stehen, nachdenkt.   

Diese Perspektive ist aber auch wichtig, gerade deswegen, weil in jedem Einzelfall durch die eigene Betroffenheit solche Dinge oft in den Hintergrund rücken. Für die Gesellschaft insgesamt ist es daher sehr wichtig, dass diese Fragen auf den Tisch kommen.

domradio.de: Wie gehen denn die Kirchen konkret mit den Einzelschicksalen um?

Bedford-Strohm: Die Einzelschicksale sind insofern immer präsent, weil sie in der Seelsorge vorkommen. Wenn Pfarrerinnen und Pfarrer seelsorgerisch mit den Menschen ins Gespräch kommen, dann stoßen sie ja auf die inneren Konflikte, die damit verbunden sind. Natürlich ist es bei vielen Menschen auch so, dass sie durch eigene Erfahrung oder durch Erfahrung von Freunden sehr nah dran waren, wie diese Menschen es immer wieder versucht haben, Kinder zu bekommen und kennen die Enttäuschungen, die damit verbunden sind. Oder auch die körperlichen Herausforderungen, die das bedeutet, wenn man sich solchen Prozessen unterzieht. Also all das sind Dinge, die haben wir immer im Hinterkopf, wenn wir über die ethischen Fragen nachdenken.

domradio.de:  Was sind die grundlegenden Probleme?

Bedford-Strohm: Aus meiner Sicht ist die entscheidende Herausforderung in dem Punkt, wo nämlich die moderne Konsumkultur und die Möglichkeiten, die völlig neu da sind, nämlich die Entstehung des Lebens zu beeinflussen oder sogar mit zu formen, zusammentreffen.

domradio.de:  Können Sie das etwas näher erklären?

Bedford-Strohm: Wenn ich in den Supermarkt gehe und mir meine Lieblings-Kaffee-Sorte aussuche, dann ist das überhaupt kein Problem, wenn ich meinen Konsumbedürfnissen nachgehe. Gut, eine wichtige Frage ist noch: Ist er fair gehandelt? Wenn sich aber diese Grundorientierung auf die Entstehung des Lebens überträgt, dann haben wir ein echtes Problem. Da müssen wir aufpassen. Dann ist die Menschenwürde in Gefahr.

domradio.de:  "Kinderwunsch - Wunschkind - Designerbaby". Das Motto wird aber auch in Frage gestellt. Zum Beispiel findet der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, es schwierig, all diese Begriffe in einer Reihe zu nennen. Er fordert, Verständnis für die Paare aufzubringen, anstatt ihnen zu sagen, dass nicht jeder ein Anrecht auf ein eigenes biologisches Kind hat. Was sagen Sie dazu?

Bedford-Strohm:  Das kann ich nachvollziehen. Da hat Peter Dabrock völlig Recht. Dieses Bedürfnis, ein Kind zu haben, müssen wir nachvollziehen, wenn wir über die Frage nachdenken. Aber ich sage es nochmal: Das klare Bewusstsein über die persönliche Situationen, die dahinterstehen, dürfen uns auf keinen Fall davon abhalten, über die ethischen Grundfragen nachzudenken. Ich weiß, dass Peter Dabrock wirklich einer der führenden Leute ist, die das auch tun.

domradio.de: Haben Sie noch ein konkretes Beispiel, wo Sie sagen, da ist die Menschenwürde in Gefahr und da muss man aufpassen?

Bedford-Strohm:  Wenn es um das Embryonenschutzgesetz geht, und die Frage, ob und wie wir das neu formen. In Amerika gibt es kein Verbot der Leihmutterschaft. Dort gibt es Datenbanken, da kann man Eizellen erwerben. Es gibt ganze Profile der Spenderinnen. Darin wird alles genau aufgelistet, ob man weiß wird oder etwa welche Figur man hat. Nach diesen Kriterien kann man sich die Eizelle aussuchen, die die Grundlage für das neue Baby sein soll.

Für die Leihmutter gibt es Kostenkataloge für die einzelnen Punkte, damit die Leihmutter das Kind austragen kann. Wenn man im Internet diese Merkmale aufgelistet bekommt, dann ist doch ganz klar, dass sich die Menschen die Babys so aussuchen wollen, dass es ihren Bedürfnissen entspricht. Und ich finde, da sind Grenzen erreicht, wo die Konsum-Kultur und die moderne Reproduktionstechnologie aufeinandertreffen, die wir nicht überschreiten sollten.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Heinrich Bedford-Strohm / © Daniel Karmann (dpa)
Heinrich Bedford-Strohm / © Daniel Karmann ( dpa )
Quelle:
DR