Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel erwarte "mutige und wirksame Beschlüsse zur Finanzierung der globalen Entwicklungsagenda". Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) forderte vorab eine gerechtere Teilung des Wohlstands zwischen Industrienationen und ärmeren Ländern. "Es darf nicht sein, dass wir für unseren Wohlstand keine fairen Preise zahlen", sagte er einer Pressemitteilung zufolge.
Müller forderte auch größere Eigenanstrengungen der Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Bekämpfung von Korruption und der Einhaltung der Menschenrechte. Dies seien die Voraussetzungen, um ausländische Investitionen anzulocken und das Wirtschaftswachstum zu stärken, um jungen Menschen Perspektiven zu geben.
"Monterrey-Konsensus", "Doha-Deklaration" oder "Post-2015-Agenda": In der Kettenwörterwelt der Vereinten Nationen dürfte die dritte "Konferenz für Entwicklungsfinanzierung" in Addis Abeba einen der vorderen Plätze einnehmen. Doch hinter den abstrakten Begriffen verbergen sich konkrete Anliegen - und handfeste Konflikte. Es geht um Geld, um sehr viel Geld. Und da hört bekanntlich die Freundschaft schnell auf.
Nachfolge der UN-Milleniumsziele
Die Staats- und Regierungschefs, Minister und Wissenschaftler, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen, die bis Donnerstag in der äthiopischen Hauptstadt versammelt sind, wollen nach Wegen suchen, wie sich die "Post-2015-Agenda" finanzieren lässt.
Im Zentrum stehen die sogenannten nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG), die die zum Jahresende auslaufenden UN-Millenniumsziele (MDG) ersetzen sollen.
Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) ordnet deswegen die Zusammenkunft in Addis Abeba in eine Reihe mit den beiden anderen UN-Großtreffen ein, die in der zweiten Jahreshälfte stattfinden: der für September in New York angesetzten Konferenz, auf der die nachhaltigen Entwicklungsziele verabschiedet werden sollen und dem Klimagipfel im Dezember in Paris, wo sich die Staatengemeinschaft auf ein neues Rahmenabkommen für den Klimaschutz verständigen will.
Für die DIE-Experten steht fest: "Nur mit einer ausreichenden Finanzierungsgrundlage sind diese Vereinbarungen glaubwürdig." Dicke Bretter sind da zu bohren, wie schon ein Blick auf die im vergangenen Jahr vorgelegten 17 SDG-Oberziele und ihre rund 170 Unterziele zeigt.
Der Kampf gegen Armut steht weiter an oberster Stelle. Aber auch die Ungleichheit innerhalb und zwischen den Ländern zu mindern oder gerechte und faire Konsum- und Produktionsstrukturen zu sichern, zählen dazu.
Lastenverteilung umstritten
Das alles klingt ein bisschen nach Wunschkonzert - Misstöne bleiben nicht aus. Das katholische Hilfswerk Misereor spricht mit Blick auf die Verhandlungen um das Abschlussdokument von einem Tauziehen hinter den Kulissen. Strittig sei insbesondere, wie die Lasten zwischen Nord und Süd für dringend notwendige Reformen der Wirtschafts- und Finanz-Architektur gerechter verteilt werden sollen. Diese Fragen werden mit darüber entscheiden, wie viel Geld tatsächlich ab 2016 für die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele zur Verfügung steht.
Worauf es ankommt, wissen die Politiker und Wirtschaftsführer eigentlich spätestens seit 2002. Damals fand die erste Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im mexikanischen Monterrey statt. Der dort erzielte Konsens sah unter anderem mehr Investitionen in den Entwicklungsländern vor, einen teilweisen Schuldenerlass sowie mehr Transparenz und Koordination in der Entwicklungszusammenarbeit.
Unter dem Eindruck der Finanzkrise fand 2008 in Katar ein Folgetreffen statt. Die "Doha-Deklaration" bekräftigte laut Darstellung des deutschen Entwicklungsministeriums die Verpflichtung der Staatengemeinschaft, "alle finanziellen Ressourcen zu mobilisieren, um die international vereinbarten Entwicklungsziele zu erreichen und weltweite Armut zu bekämpfen". Ein Problem ist, dass die Krisen seither nicht weniger geworden sind.
2,9 Milliarden Euro für Ebola-Gebiete
Kriege und Konflikte wie in Syrien und dem Irak legen ganze Weltregionen lahm. Und die Ebola-Epidemie in Westafrika hat die dort mühsam erzielten Erfolge teilweise wieder zunichte gemacht. Allein in diesem Fall gehen Experten davon aus, dass in den kommenden beiden Jahren 3,2 Milliarden US-Dollar (2,9 Milliarden Euro) nötig sein werden, um die Folgen zu bewältigen.
Misereor-Chef Pirmin Spiegel macht auf einen weiteren Missstand aufmerksam. Durch manipulierte Verrechnungspreise und andere Steuervermeidungspraktiken gingen den Entwicklungsländern Jahr für Jahr Milliardenbeträge durch die Lappen. "Wir brauchen daher dringend einen Beschluss, um ein zwischenstaatliches Gremium zur internationalen Kooperation in Steuerfragen zu schaffen." Ein weiterer Punkt auf der To-do-Liste der Entscheidungsträger in Addis Abeba.