Behindertenbeauftragter Hüppe fordert mehr Rechte für Behinderte

"Immer und überall daran erinnern"

Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüpppe, mahnt zu mehr Engagement für Menschen mit Behinderungen. Dies betreffe alle Bereiche der Gesellschaft, vom gemeinsamen Unterricht über Ausbildung und Arbeit in einem Betrieb bis zu Barrierefreiheit im öffentlichen Personenverkehr und im Internet, so der Unionspolitiker im Interview.

 (DR)

KNA: Herr Hüppe, wenn Sie zurückblicken auf die beiden vergangenen Jahre Ihrer Arbeit, welche Bilanz ziehen Sie?

Hüppe: Ich wollte in der Zeit vor allem die Anliegen von Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt rücken. Und ich glaube, ich konnte dabei einiges bewegen.



KNA: Wie steht es um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention?

Hüppe: Ich hoffe, dass der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung möglichst konkrete Schritte zur Umsetzung enthält. Er allein reicht aber nicht aus: Alle Verantwortlichen müssen sich daran beteiligen.



Ich habe das Konzept der Koordinierungsstelle zur Behindertenrechtskonvention völlig umgewandelt. Denn ich wollte, dass hier vor allem die Menschen entscheidend mitwirken, um die es auch geht, nämlich die Menschen mit Behinderung. Der Deutsche Behindertenrat hat aus allen fünf großen Gruppen Menschen mit Behinderung benannt: psychisch, "geistig" und körperlich behinderte Menschen sowie Menschen mit Hör- und Sehbehinderung. Mein Ansatz

lautet: Wir wollen mit den Menschen sprechen und nicht über sie.



KNA: Wie vermitteln Sie diesen Ansatz?

Hüppe: Wir versuchen, dort Einfluss zu nehmen, wo die Belange der Menschen mit Behinderungen unmittelbar betroffen sind. Denken Sie etwa an den Runden Tisch Kindesmissbrauch. Ursprünglich waren Menschen mit Behinderungen nicht beteiligt. Auf meine Anregung hin wurde dann ein Mensch mit Behinderungen zu den Gesprächen eingeladen. Für die Bundestagsabgeordneten hat der Bundestag vor kurzem ein Handbuch zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aufgelegt.



KNA: Dennoch werden Menschen mit Behinderung im öffentlichen Bewusstsein immer noch als Randgruppe wahrgenommen.

Hüppe: Gerade deshalb sehe ich es als meine Aufgabe an, Menschen mit Behinderungen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Die Wahrnehmung als Randgruppe rührt ja vor allem daher, dass viele Menschen kaum Menschen mit Behinderungen kennengelernt haben. Noch ein Argument also für Inklusion.



KNA: Wie steht es um die gleichberechtigte Teilnahme und Teilhabe am öffentlichen Leben?

Hüppe: In vielen Bereichen ist es zumindest gelungen, das Bewusstsein zu schärfen. Aber es ist noch eine große Kraftanstrengung nötig, um die Rechte der Menschen mit Behinderungen aus der rein "sozialen Ecke" herauszubekommen. Denn die Rechte gehen jeden an, ob in Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt oder in der Kultur. Die Rechte und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen sind ein Querschnittsthema.



KNA: Wo sehen Sie die größten Defizite?

Hüppe: Wir könnten weiter sein bei der Inklusion, etwa durch flexiblere Unterstützungsmaßnahmen. Ich fordere seit langem, diese nicht an besondere Einrichtungen zu binden. Die Unterstützung muss dem Menschen folgen, nicht umgekehrt. Es kann nicht sein, dass die Menschen den Leistungen nachlaufen müssen, bis ihnen am Ende die Kraft ausgeht. Es verlieren dann immer die, die am schwächsten sind.



KNA: Wie sieht es mit der Schule aus. Wie bewerten Sie hier die Schritte der Kultusminister?

Hüppe: Beim gemeinsamen Unterricht wünsche ich mir deutlichere Zeichen der Kultusministerkonferenz. Der derzeit vorliegende Entwurf erfüllt die Anforderungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention jedenfalls nicht. Ein weiteres Feld ist die Umsetzung der Pflegereform. Wir dürfen auch die nicht vergessen, die sich an dem Prozess gar nicht beteiligen können. Denn satt und sauber ist nicht das, was wir unter Teilhabe verstehen.



KNA: Wie bewerten Sie die Frage der Präimplantationsdiagnostik und welche Resonanz haben Sie aus den Behindertenverbänden?

Hüppe: Ich bin für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik und sehe mich da im Einklang mit fast allen Behindertenverbänden. Präimplantationsdiagnostik bedeutet Aussortieren menschlichen Lebens nach vermeintlichen "Qualitätskriterien". Man kann es drehen und wenden, wie man will. Wer Präimplantationsdiagnostik zulässt, lässt auch die Entscheidung über lebensunwertes und lebenswertes Leben zu.