Bei Handelsgesprächen in Genf soll die Doha-Runde wiederbelebt werden

Letzte Chance?

Bei den am Montag in Genf beginnenden Handelsgesprächen steht viel auf dem Spiel. Es geht um den Handel zwischen den Industrienationen und den Schwellen- und Entwicklungsländern. Doch die Verhandlungen über eine weitere Öffnung der Märkte stecken seit Jahren fest. Die Industrienationen verlangen von Schwellenländern wie Brasilien, ihre Märkte für den Import von Industriegütern weiter zu öffnen. Der Süden verlangt besseren Zugang zu den Agrarmärkten des Nordens. Das Krisentreffen in Genf gilt als letzte Chance, die 2001 gestartete Doha-Runde zu retten. Prof. Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel sieht aber "wenig Rückenwind" für einen Abschluss. Doch die Welt könne auch ohne einen Abschluss weiterleben, so der Experte im domradio Interview.

 (DR)

Schon vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen kam es zu einem Eklat. Brasiliens Außenminister Celso Amorim hat mit einem Nazi-Vergleich die Verhandlungspartner vor den Kopf gestoßen. Amorim warf den Industriestaaten am Wochenende vor, mit den Betrugstaktiken des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels zu operieren. Goebbels habe gesagt, wenn man eine Lüge nur häufig genug wiederhole, dann werde sie irgendwann zur Wahrheit, sagte Amorim.

Vertreter von EU und USA verurteilten die Äußerungen des brasilianischen Verhandlungsführers. Ein Sprecher der US-Handelsbeauftragten Susan Schwab sprach von «beleidigenden» Aussagen. Schwab stamme von Überlebenden des Holocaust ab. Später entschuldigte sich ein Sprecher Amorims für den Vergleich.

Schwellenländer sollen Marktzugang erleichtern
Die WTO-Gespräche waren Ende Juli 2006 ohne Ergebnis, nach fünfjähriger Verhandlung unterbrochen worden. Vor dem Start des Krisentreffens  hat Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) am Wochenende Zugeständnisse der Schwellenländer verlangt. Brasilien, Indien und China dürften sich nicht hinter der Bezeichnung Entwicklungsland verstecken, schrieb Glos in einem Beitrag für die in Hamburg erscheinende "Financial Times Deutschland". Auch die großen Schwellenländer müssten den Marktzugang erleichtern.

"Es liegt in unserem Interesse, die Entwicklungsländer stärker in das Welthandelssystem zu integrieren", argumentierte Glos. Das sei ein wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung und trage weltweit zu Frieden und Stabilität sowie zur Überwindung der Nahrungsmittelkrise bei.

Wiederbelebung
Seit Montag tagen in Genf Vertreter unter anderem der EU und der G20, einer Gruppe zumeist größerer Entwicklungs- und Schwellenländer unter Führung von Brasilien und Indien. Die rund 40 Teilnehmer wollen die festgefahrene Welthandelsrunde zur Liberalisierung des Welthandels wiederbeleben.

Die letzten Verhandlungen waren 2006 auch deshalb gescheitert, weil sich die Industrieländer weigerten, ihre Subventionen für Landwirte reduzieren. Damit würde den Entwicklungsländern ermöglicht ihre Agrar-Exporte zu steigern. Als Gegenleistung sollen in den Entwicklungs- und Schwellenländern Importschranken, vor allem Zölle, für Industrieprodukte und Dienstleistungen aus dem Norden fallen. Dabei sollten die Zölle für Industrieprodukte im Süden prozentual deutlich stärker fallen, als die Zölle auf Agrarprodukte in der EU.

Gerade die Schwellenländer fürchten um ihre Zolleinnahmen und die Chance, ihre aufkeimende eigene Industrie zu schützen. Und so waren gerade Globalisierungskritiker 2006 froh, dass sich die Industrienationen mit ihren Forderungen nicht durchsetzen konnten. "Besser kein Ergebnis als ein schlechtes Ergebnis", wurde 2006 das Scheitern der Doha-Runde kommentiert.