Benedikt XVI. bittet die Juden um Vergebung

Das Bekenntnis des Papstes

War das der Schlussstrich unter die unselige Debatte um die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft? Es sieht ganz danach aus: Papst Benedikt XVI. erteilte am Donnerstag erneut jeder Leugnung des Holocaust eine klare Absage. Er traf sich mit jüdischen Spitzenvertretern und wiederholte wörtlich die Vergebungsbitte, die sein Vorgänger Johannes Paul II. im Jahr 2000 an der Klagemauer in Jerusalem formuliert hatte.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Versöhnlich: Rabbi Arthur Schneier, Papst Benedikt XVI. und Malcolm Hoenlein (KNA)
Versöhnlich: Rabbi Arthur Schneier, Papst Benedikt XVI. und Malcolm Hoenlein / ( KNA )

Ein alter Papst, gebeugt, erschüttert, die Hand an der Klagemauer von Jerusalem: Er bittet um Vergebung für all die Ungerechtigkeiten, die Juden die Geschichte hindurch erleiden mussten. Und im Unterton: Nie wieder. Nie wieder Auschwitz. Nie wieder soll die Kirche von der Seite derer weichen, denen Gottes erste Liebe galt. Es ist ein anderer Papst als der amtierende, der dieses Gebet sprach, Johannes Paul II. im Jahr 2000. Jetzt hat sein Nachfolger es sich zu eigen gemacht, hat das Bekenntnis wortwörtlich wiederholt vor Spitzenvertretern des US-amerikanischen Judentums. Wenige Zeichen von Benedikt XVI. waren so eindringlich wie dieses.

Als Kardinal war Joseph Ratzinger nicht der größte Vorkämpfer der großen Vergebungsbitten, die Johannes Paul zum Heiligen Jahr, an der Schwelle zum neuen Jahrtausend vollziehen wollte. Dem Präfekten der Glaubenskongregation schien ein Schuldeingeständnis heikel, bei dem menschliches Versagen in der Kirchengeschichte mit einem Fehler im System verwechselt werden konnte. Noch vor einem Jahr meinte Benedikt XVI. in seiner neuformulierten Karfreitagsfürbitte des tridentinischen Ritus unterstreichen zu müssen, dass der Messias der Juden eigentlich nur die Gestalt Christi haben kann. Angesichts des Versagens, das in den vergangenen Wochen an den rechten Rändern der Kirche und im Zentrum der Kurie manifest geworden ist, holt er selbst zur großen Geste aus.

Die Schoah, der Massenmord an den Juden, war «ein Verbrechen gegen Gott und gegen die Menschheit», sagt Benedikt XVI. am Donnerstag bei einem Treffen mit dem Leitungsgremium der «Conference of Major American Jewish Organizations», einem US-amerikanischen jüdischen Dachverband. Was die Schoah war, müsse jedem klar sein, «besonders jenen, die in der Tradition der Heiligen Schriften stehen». Die Schinderhütten von Auschwitz nennt er Orte des Schreckens und unsäglichen Leidens, die Schlächterei dort einen Grund für «tiefe Scham». Im kleinen Kreis der Gäste ist Rabbiner Arthur Schneier, der den Papst voriges Jahr in seiner Synagoge in New York begrüßt hatte.
Schneier stammt aus Wien, seine Familie starb im KZ.

Kein zurück hinter "Nostra aetate"
Und Benedikt XVI. holt weiter aus: «Die Kirche verpflichtet sich tief und unwiderruflich, jeglichen Antisemitismus zurückzuweisen und immer weiter an guten und dauerhaften Beziehungen zwischen unseren beiden Gemeinschaften zu arbeiten.» Hinter das Konzilsdokument «Nostra aetate», mit dem die katholischen Bischöfe 1965 einen grundlegenden Wandel im Verhältnis zum Judentum einläuteten, gibt es kein Zurück. Das Dokument nennt er einen Meilenstein, die Juden «Brüder und Schwestern» der Christen. Er spricht vom «Geist der Versöhnung» und von seinem sehnlichen «Wunsch, dass die Freundschaft, die uns jetzt verbindet, immer stärker wird».

Schneier hat lange Erfahrung im christlich-jüdischen Dialog. Aber nach dem Vormittag im Vatikan spricht er von einem «historischen Tag». Der Rabbiner lobt den Papst dafür, dass er sich «klar zu der Leitlinie von Nostra aetate bekannt» habe, für Dialog und gegen jede Form von Antisemitismus. An den Zeugen der NS-Zeit sei es gelegen, die Mahnung des «Nie wieder!» an die jüngeren Generationen weiterzugeben. Auf ihnen, die wissen, wie das war mit der Schoah, lastet die Verantwortung des Erinnerns. «Und wir werden täglich weniger.» Schneier ist Jahrgang 1930, der Papst 1927.

Vorbei scheinen für einen Augenblick die Angriffe, die heimliche Sympathien für Auschwitz-Leugner durch den Vatikan wabern sahen oder die katholische Zentrale der Blindheit gegenüber Rechtsextremismus zieh. Im Gegenteil: Alan Solow, Präsident des jüdischen Dachverbands, erhofft sich von Benedikt XVI. eine moralische Führungsrolle im Kampf gegen den weltweit erstarkenden Antisemitismus. Der Fall Williamson? - Ist für sie abgetan, sagen die jüdischen Vertreter; längst wieder herabgestuft zu einer innerkatholischen Angelegenheit um eine unbedeutende Figur, die vor zwei Wochen noch niemand kannte.

Israelbesuch bestätigt
Aus diesem «Zwischenfall» könnten die katholisch-jüdischen Beziehungen noch gestärkt hervorgehen, sagt Malcolm Hoenlein, Vizepräsident der Konferenz. Irgendwann fällt auch der Vergleich mit der Regensburger Rede und der nachfolgenden Belebung des katholisch-muslimischen Dialogs. Unterdessen reisen die jüdischen Spitzenvertreter weiter zu ihrer «Leadership Mission» nach Israel, im Gepäck nun die höchstoffizielle Zusage, dass der Papst zu Besuch kommt. «Ich bereite mich gleichfalls darauf vor, Israel zu besuchen», hat er ihnen gesagt. Noch dieses Jahr nach Jerusalem.