In dem Schreiben, das Benedikt wenige Wochen vor seinem Tod, am 28. Oktober 2022, an Seewald richtete, heißt es wörtlich, das "zentrale Motiv" des Rücktritts "war die Schlaflosigkeit, die mich seit dem Weltjugendtag in Köln ununterbrochen begleitete". Der Weltjugendtag in Köln fand im August 2005 statt.
Die "starken Mittel", die ihm sein damaliger Leibarzt verschrieben habe, hätten auch zunächst gewirkt und seine "Verfügbarkeit" als Papst garantiert. Die Medikamente seien jedoch bald "an ihre Grenzen" gelangt und hätten seine Verfügbarkeit "immer weniger sicherstellen" können.
Seewald begründet Veröffentlichung
"Benedikt XVI. wollte zu seinen Lebzeiten um die näheren Umstände seines mit seiner Erschöpfung begründeten Rücktrittes kein Aufsehen machen", sagte Seewald der KNA. Leider werde auch nach dessen Tod weiter über mögliche andere Gründe für den Schritt spekuliert.
"Gerüchte über Erpressung und einen wie auch immer gearteten Druck, der auf ihn ausgeübt worden sei, verstummen nicht", so der Münchner Publizist. Auch werde weiter vermutet, die "Vatileaks"-Affäre sei der wahre Grund gewesen.
Er fühle sich daher verpflichtet, "das mir anvertraute entscheidende Detail aus der Krankengeschichte des deutschen Papstes zu veröffentlichen", sagte Seewald. "Ich hoffe, dass damit die Verschwörungstheorien und irren Spekulationen endgültig aus der Welt geschafft werden." Der Rücktritt sei aus gesundheitlichen Gründen erfolgt, "genau so, wie er es in seiner Rücktrittserklärung zum Ausdruck brachte".
Bereits 2010 habe der damalige Papst in seinem Interviewbuch "Licht der Welt" gegenüber ihm, Seewald, "unmissverständlich angekündigt, dass er von der Option für einen Rücktritt Gebrauch machen würde, sobald seine Kräfte es nicht mehr zuließen, das Amt Petri auszuüben. Leider hat davon kaum jemand Notiz genommen."
Seewald hat unter dem Titel "Benedikts Vermächtnis" selbst ein neues Buch bei Hoffmann und Campe herausgebracht, das in diesen Tagen erscheint. Der Brief vom 28. Oktober 2022 habe "aus zeitlichen und produktionstechnischen Gründen" darin nicht mehr aufgenommen werden können, erklärte der Autor.
Schwerer Zwischenfall bei Reise nach Mexiko und Kuba
Schließlich sei es bei seiner Reise nach Mexiko und Kuba im März 2012 zu einem schweren Zwischenfall gekommen. Am Morgen nach der ersten Nacht habe er, so Benedikt in dem Brief, wie üblich nach seinem Taschentuch gegriffen. Dieses sei "total mit Blut durchtränkt" gewesen. "Ich musste im Badezimmer irgendwo angestoßen und zu Fall gekommen sein." Ein Chirurg habe die Sache "gottlob" so zu behandeln gewusst, dass die Verletzungen nicht sichtbar gewesen seien.
Nach diesem Unfall habe sein neuer Leibarzt zu einer Verringerung der Schlafmittel gedrängt und darauf bestanden, dass Benedikt bei künftigen Auslandsreisen nur noch an den Vormittagen öffentlich auftreten dürfe. Ihm sei, so Benedikt weiter, klar gewesen, dass diese medizinisch begründeten Einschränkungen "nur für eine kurze Zeit gelten konnten". Weil die nächste große Auslandsreise, der Weltjugendtag in Rio de Janeiro, im Juli 2013 stattfinden sollte und Benedikt wusste, dass er diesen Termin nicht mehr "bewältigen" würde, habe er seinen Rücktritt so zeitig geplant, dass nach Rio bereits ein "neuer Papst" würde reisen können.
Nicht mehr imstande gewesen, das Amt auszuüben
Benedikt XVI. betonte in dem Brief an Seewald, dass er auch aktuell nach "nüchternem und nachdenklichen Überlegen" wieder zu dem Entschluss kommen würde, zurückzutreten. Er sei damals nicht mehr imstande gewesen, das Amt angemessen auszuüben.
Benedikt XVI. trat am 28. Februar 2013 vom Amt des Papstes zurück. Sein Nachfolger Papst Franziskus, am 13. März 2013 gewählt, flog zum Weltjugendtag nach Rio. Benedikt XVI. starb im Alter von 95 Jahren an Silvester 2022.