Benedikt XVI. zu Besuch am Absatz des italienischen Stiefels

Der Papst am Ende der Welt

Hier ist eine Grenze für den Papst, den Primas von Italien: Finibus terrae - "an den Enden der Erde" - heißt der Ort, den Benedikt XVI. am Wochenende bei seiner zehnten inneritalienischen Reise besucht. Buchstäblich ein Jahrtausendereignis: Denn als letzter Papst war Urban II. in der Hafenstadt - Ende des ersten Jahrhunderts des zweiten Jahrtausends.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Das Kap am Absatz des italienischen Stiefels war für Seefahrer über Jahrhunderte der letzte Orientierungspunkt auf dem Weg in die östliche Levante und den Orient. Heute ist der nächstgelegene Hafen in Brindisi Landungsbrücke für Immigranten aus den Ländern jenseits des Meeres:
eine Zuwanderung, die bei vielen Italienern wachsenden Unmut auslöst. Auch dazu erwarten sich die Katholiken von Santa Maria di Leuca und Brindisi Weisung von ihrem Kirchenoberhaupt.

Es ist buchstäblich ein Jahrtausendereignis, wenn Benedikt XVI. ins Erzbistum Brindisi reist. Denn als letzter Papst war Urban II.
(1088-1099) in der Hafenstadt, und auch sein Aufenthalt zur Weihe der Kathedrale um 1089 geschah eher auf der Durchfahrt. Johannes Paul II. stattete im Lauf seines langen Pontifikates praktisch allen großen Bischofssitzen Apuliens eine Visite ab. Diesen entlegenen Winkel betrat er nicht.

Katholiken im Glauben bestärken
Wie immer kommt der Papst, um die Katholiken im Glauben zu bestärken. Doch in dieser Region haben die Menschen besondere Ermutigung nötig. Auf Brindisi lastet schwer die Arbeitslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen. In den 1990er Jahren grassierte noch der organisierte Schmuggel. Augenblicklich sorgt die "Sacra Corona Unita", die apulische Mafia, weniger für Schlagzeilen als noch vor einigen Jahren. Heute kämpft die Polizei vor allem mit armutsbedingter Kriminalität.

Giovanni Morelli, Sprecher des Erzbistums Brindisi, erhofft sich daher von Benedikt XVI. einen Appell an die Bürger, sich aufzurappeln und ihre Zukunft in die Hand zu nehmen. Dabei setzen Kirche und Kommune auch auf eine Verbesserung des Lebensgefühls. Mit großem Aufwand wurden Dom und öffentliche Paläste restauriert; die von einem Forza-Italia-Bürgermeister geführte Stadt und die Provinzregierung aus Mitte-Links-Parteien arbeiten in der Kulturförderung zusammen. Brindisi soll seine Identität als Seefahrerstadt und Sprungbrett in den Orient wiederfinden, um aus der Lethargie zu erwachen.

Auch das Erzbistum mit seinen knapp 300.000 Mitgliedern sucht den Neuaufbruch. Derzeit tagt eine Diözesansynode zur kirchlichen Zukunft. Es ist die erste derartige Veranstaltung seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Im Blick auf den Papstbesuch startete an Weihnachten eine Pastoral-Initiative in allen Pfarreien.

Zwei Großgottesdienste
Benedikt XVI. allein wird mit seinen zwei Großgottesdiensten und seinen Begegnungen mit Jugendlichen, Ordensleuten und Priestern die Ortskirche und die Region nicht umkrempeln. Aber Morelli ist überzeugt, dass der päpstliche Zuspruch einen Schub in die richtige Richtung geben kann. Die soziale Situation sei "nicht schwierig, nur ein bisschen kompliziert", so der Sprecher. Potenzial sei da in der Bevölkerung. Er erinnert an die Flüchtlingswellen der 90er Jahre aus Albanien, als überfüllte Barken vor der Küste Brindisis erschienen.  Familien, viele von ihnen selbst mit Wurzeln in Albanien oder Mazedonien, nahmen die Unglücklichen auf. "Die Kirche war mit der diözesanen Caritas in vorderster Linie engagiert", betont Morelli.

Als Erzbischof Rocco Talucci aus Brindisi zum jüngsten turnusmäßigen Besuch bei Benedikt XVI. antrat, brachte er ihm als Geschenk ein Buch mit, das von diesen dramatischen Tagen der Bootsflüchtlinge handelte. Vielleicht hat sich der Papst bei seiner Reisevorbereitung daran erinnert.