Nach Gbeffa führt nur eine Sandstraße. Die Gassen des kleinen Fischerdorfes im Südwesten von Benin sind eng. Einige verfallene Gebäude erinnern noch an die französische Kolonialzeit. An diesem Samstag steht ein Auto neben dem nächsten. Hunderte Menschen drängen sich zwischen den Häusern und folgen den sechs Männern, die den Sarg von Anoumou Telesphore Akpla auf ihren Schultern tragen. Der hat zwar die meiste Zeit seines Lebens im Ölstaat Gabun in Zentralafrika verbracht. Die letzte Ruhe soll er aber in seiner Heimat finden.
Bis zur Beisetzung auf dem Friedhof in der nächstgelegenen Stadt Grand Popo muss der Sarg noch in die Häuser gebracht werden, in denen seine Mutter und sein Vater einst aufwuchsen. Dazu werden Porträtfotos des Verstorbenen gezeigt. Das ist Teil der traditionellen Zeremonie. "Dann wissen alle im Dorf: Er ist wirklich tot, und nur sein Geist kann wiederkehren", sagt sein Neffe Anges Acakpo, der zu den Trauergästen gehört.
Interreligiöser Dialog mit Voodoo-Priestern
Mit dabei sind gleich drei katholische und mehrere Voodoo-Priester. Voodoo bedeutet in der Sprache Fon, die an der Küste Benins am stärksten verbreitet ist, "Gott" oder "Gottheit". Heute bekennen sich noch rund zwölf Prozent der 13 Millionen Einwohner zu den Kulten. Tatsächlich praktizieren viele Menschen neben dem Christentum weiterhin Voodoo. Eins haben beide Religionen gemeinsam: Der Abschied von jemandem wird gebührend gefeiert; Trauerfeiern ziehen sich oft über viele Tage.
Das gilt auch für die Beisetzung von Anoumou Telesphore Akpla. Bevor sein Sarg nach Gbeffa gebracht wurde, hat es in der Wirtschaftsmetropole Cotonou eine Totenwache, einen Gottesdienst und zahlreiche Gebete gegeben. Im Islam, dem gut jeder vierte Beniner angehört, ist das anders. Verstorbene werden mitunter noch am selben Tag, spätestens aber am nächsten beigesetzt.
Tote und lebende bilden eine Gemeinschaft
Eins darf in Gbeffa nicht fehlen: die "Revenants", wie die Geister des Todes genannt werden. Sie sehen aus wie große, bunte Baströcke, wirbeln durch die Gegend und erinnern daran, dass Tote und Lebende eine Gemeinschaft bilden. Die Trauergemeinde steckt ihnen immer wieder Geldscheine zu. Wer sich unter den Gestellen verbirgt, lässt sich nicht erkennen.
Anhänger von Voodoo beklagen in Benin zunehmend, dass die alte Religion von Christentum und Islam verdrängt werde. Umso wichtiger findet es Comla Innocent Djablou, der als Voodoo-Priester den Namen Sodegbe II trägt, dass alte Zeremonien wie in Gbeffa erhalten bleiben. "Es geht auch um die Wurzeln. Es ist wichtig, dass wir unseren Ursprung nicht vergessen." Dazu gehört auch, dass die Verstorbenen allgegenwärtig sind. In seinem Haus oberhalb des Sees Aheme spricht er täglich mit ihnen und bittet die Verstorbenen um Ratschläge. Jeden Morgen, wenn er das Haus verlässt, erbittet er ihren Segen.
Beerdigungen sind große Parties
Die Verstorbenen seien immer da, ist Sodegbe II sicher. Deshalb sind nach der anfänglichen Trauer Beerdigungen vor allem große Partys. Nachdem ganz Gbeffa Zeuge wurde, dass der Geschäftsmann Akpla wirklich tot ist, werden große Zelte aufgebaut. Ein Lieferwagen bringt Softdrinks und viel Bier. Zwei Hammel hat die Familie für die Trauergemeinde gekauft. Jeder, der vorbeikommt, ist willkommen.
Fotografen halten jeden Moment fest; die Lautsprecher werden aufgedreht. Üblich ist auch, sich extra für eine Beerdigung ein Kleid oder einen Anzug schneidern zu lassen. Während sich die Witwe und die Kinder von Anoumou Telesphore Akpla für einen schwarzen Stoff mit weißen Blättern entschieden haben, tragen Neffen und Nichten Blau und Weiß. Die Stoffe symbolisieren Zusammengehörigkeit.
Teures Fest
Auch sie sind Teil der großen Beerdigungsindustrie. Eine Beisetzung kostet viele tausend Euro. Hat der Verstorbene kein Vermögen, müssen die Kinder übernehmen. Manche zahlen Kredite über Jahre zurück. Brigitte Avaton geht es nicht anders. Als ihr Schwiegervater starb, musste jedes Kind umgerechnet 800 Euro für die Beisetzung aufbringen.
Die Familie hat ein monatliches Einkommen von rund 250 Euro. "Das ist viel Geld für uns", sagt sie; "aber es ist unsere Tradition". Der Verstorbene solle schließlich einen guten Übergang ins Jenseits haben.