DOMRADIO.DE: Wie ist das, wenn Sie da oben auf dem Zugspitzplatt stehen und Ihren Blick über die Gipfel schweifen lassen?
Militärpfarrer Norbert Sauer: Das ist für mich immer wieder ein erhebendes Gefühl. Vor allem diese Weite, dieses über-dem-Alltag-sein, dieses Heraustreten aus dem Alltag in die Ruhe und in die Stille kommen. Und das ist auch etwas, das viele Menschen fasziniert, glaube ich, wenn sie dort oben sind, unabhängig vom Gottesdienst.
DOMRADIO.DE: Dort finden die Menschen tatsächlich eine kurze Auszeit, bevor es dann wieder runtergeht?
Sauer: Gerade die Berge laden dazu ein, dass wir eine spirituelle Erfahrung machen, die wir so im Alltag nicht mehr machen, weil die Lebenswirklichkeit eben eine ganz andere ist. Einmal gibt es diesen Abstand vom Alltag, von den Terminen, von dem Zeitdruck, von der Hast und es gibt auch dieses Eintauchen in die Stille, die das Leben entschleunigt. Die Entschleunigung ist ja ein Stichwort unserer Zeit geworden, was viele bitter nötig haben. Dort lernt man, neu zu schauen und zu hören, wenn ich beispielsweise das Zwitschern der Vögel höre oder die Blumen am Wegesrand sehe. Aber es geht auch darum, wieder diese Weite im Leben zu erfahren, wenn Sorgen und Nöte den Blick verengt haben. Und das bringt eine Dankbarkeit mit sich, angesichts dieser Berge, die in Millionen von Jahren entstanden sind.
DOMRADIO.DE: Seit Sie 2011 die Stelle als katholischer Militärpfarrer in Mittenwald angetreten haben, sind Sie regelmäßig auf Deutschlands höchstem Berg und feiern dort den Gottesdienst. Wer kommt da zu Ihnen in die Messe?
Sauer: Es ist sehr unterschiedlich. Es kommen Einheimische, die oft oben sind, weil sie eine Saisonkarte haben, die das Angebot bewusst wahrnehmen. Es kommen aber auch sehr viele Touristen. Und dadurch hat man jedes Mal auch eine ganz andere Gemeinde. Das heißt, die Menschen, die dort den Gottesdienst mitfeiern, kennen sich in der Regel nicht. Aber ich erlebe und spüre immer wieder, dass wir in der Dreiviertelstunde des Gottesdienstes zu einer sehr intensiven Gemeinschaft zusammenwachsen.
DOMRADIO.DE: Es kommen Urlauber in die Messe – Menschen, die Erholung suchen. Was stellen Sie fest bei diesen Gottesdienstbesucher? Sind die da oben empfänglicher für geistige Impulse?
Sauer: Das ist eine gängige Erfahrung, die ich mache. Die Menschen, die da oben sind und den Gottesdienst mitfeiern, sind unwahrscheinlich offen. Und das liegt auch an der Freude daran, dass sie auf Deutschlands höchstem Berg diese Möglichkeit haben – oft sind sie zum ersten Mal da.
DOMRADIO.DE: Es kommen auch ausländische Touristen auf die Zugspitze. Kommen die auch in den Gottesdienst?
Sauer: Die kommen auch. Ich spreche sie in der Regel auf Englisch an und beziehe sie bewusst mit ein. Man wächst da wirklich über alle nationalen oder kulturellen Grenzen hinweg zu einer wirklichen Gemeinschaft zusammen.
DOMRADIO.DE: Viele Deutsche haben ja gestöhnt in diesem Sommer – Dauerhitze mit bis zu 40 Grad. Wie erträglich war auf der Zugspitze?
Sauer: Das ist natürlich viel angenehmer. Man sieht aber auch die Auswirkungen des Klimawandels, zum Beispiel am Gletscher. Aber wenn es im Tal 35 Grad hat, dann sind es oben auf der Zugspitze 15 bis 18 Grad und das ist sehr angenehm.
DOMRADIO.DE: Macht Ihnen das Wetter auch mal einen Strich durch die Rechnung?
Sauer: Das gab es bisher noch nicht, weil man nicht nur mit der Gondel zur Kapelle kommt, die bei bestimmten Windstärken aus Sicherheitsgründen abgeschaltet wird. Sondern zum Sonnalpin, wo sich die Kapelle befindet, führt auch die Zahnradbahn, die immer fährt egal bei welchem Wetter. Das heißt, auch wenn das Wetter noch so scheußlich ist und nur ganz wenige Menschen hochfahren, findet der Gottesdienst statt.
DOMRADIO.DE: Ich habe Ende der 90er auf der Insel Juist geheiratet. Hätte ich auch in der Kirche auf der Zugspitze heiraten können?
Sauer: Ja, ich hatte schon mehrmals Trauungen da oben. Auch Trauungen von Ehepaaren, die schon lange Zeit standesamtlich verheiratet sind, und noch einmal bewusst diese kirchliche Trauung im ganz kleinen Kreis mit den engsten Angehörigen feiern wollten. Das passiert dann im Rahmen eines Sonntagsgottesdienst und die Mitfeiernden sind stets sehr überrascht und angetan.
Das Interview führte Carsten Döpp.