Um über die Zukunft zu sprechen, aber auch, um der nationalsozialistischen Novemberpogrome zu gedenken, die vor 75 Jahren die gewaltsame Auslöschung des deutschen und europäischen Judentums einleiteten.
Die Treffen der unterschiedlichen Strömungen des Judentums können als Ausdruck einer weiteren Normalisierung des Verhältnisses zum heutigen Deutschland gelten. So tagt die Europäische Rabbiner-Konferenz (CER) erstmals seit der NS-Zeit und dem Zweitem Weltkrieg wieder auf deutschem Boden.
Bereits seit Dienstag ist eine 30-köpfige Delegation der liberalen amerikanischen Rabbinerkonferenz in Berlin zu Gast. Der Central Conference of American Rabbis (CCAR) ist nach eigenen Angaben der größte Rabbinerverband weltweit mit rund 2.000 liberalen Rabbinerinnen und Rabbinern. Die jüdischen Geistlichen wollen sich vor allem ein Bild vom Stand der aktuellen Judaistik-Ausbildung unter dem Rabbiner Walter Homolka am Abraham Geiger Kolleg der Universität Potsdam machen.
Darüber hinaus sind Visiten der zahlreichen Stationen des reformierten Judentums geplant, das als Haskala mit den aufklärerischen Gedanken des Philosophen Moses Mendelssohn (1729-1786) immerhin einst von Berlin aus seinen Anfang nahm und 1935 in der Ordination der ersten Rabbinerin der Welt, der Berlinerin Regina Jonas (1902-1944), gipfelte.
Jonas kam in Auschwitz um. Heute erinnert am Standort ihres früheren Wohnhauses in der Krausnickstraße in Berlin-Mitte ein Schild an sie. Um die Ecke in der Tucholskystraße befindet sich das Leo-Baeck-Haus. Es ist dem Berliner Oberrabbiner Leo Baeck (1873-1956) als dem bedeutendsten Vertreter des deutschen liberalen Judentums gewidmet. Unter den Delegationsmitgliedern aus den USA ist auch sein Urenkel, James Nathaniel Dreyfus.
Von Sonntag bis Dienstag tagt zudem die Europäische Rabbinerkonferenz (CER) in Berlin. Eröffnet wird die Konferenz von den erst im Sommer gewählten Oberrabbinern des Staates Israel, Jitzchak Josef und David Lau. Sie vertreten jeweils den sogenannten aschkenasischen beziehungsweise sephardischen Teil des Judentums.
Gedenken für die Pogrome vom 9. November
Weil Israel auch für die in der Diaspora lebenden Juden als Heimstatt gilt, sind die beiden Oberrabbiner die religiösen Instanzen schlechthin. Den Höhepunkt für die orthodoxen wie liberalen Rabbiner bildet die Teilnahme am Gedenken für die Pogrome vom 9. November 1938. Wegen des jüdischen Sabbat werden die Feierlichkeiten nicht am Jahrestag selbst, sondern erst am Sonntag stattfinden.
Im alten und neuen orthodoxen Rabbinerseminar in der Brunnenstraße halten unter anderen der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, und der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, Ansprachen. Anschließend wird im Gemeindehaus Fasanenstraße der Samson Raphael Hirsch Preis verliehen und das zehnjährige Bestehen der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland gefeiert.
Während sich die amerikanischen Rabbiner bereits am Sonntag und Montag aus Berlin verabschieden, krönen die Vertreter des CER ihr Treffen mit einem Gala-Dinner am Montag im Jüdischen Museum. Zugeschaltet mit einer Videobotschaft sind Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso.