Wer in Deutschland gen Mekka beten will, muss sich nach Südosten richten. Im "Islamischen Kulturzentrum der Bosniaken" in einem Hinterhaus an der Adalbertstraße in Berlin-Kreuzberg hilft das Muster des Teppichs, der im Gebetsraum in Richtung Mihrab - der Gebetsnische - ausgelegt ist.
"Das ist der Platz des Vorbeters, des Imams", erklärt Meho Travljanin, ein Mann mit blauen Augen, kurzem Bart, Sakko und Jeans. Der 35 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftler kam 1993 als Kriegsflüchtling aus Bosnien nach Berlin und ist Gemeindevorsteher des Kulturzentrums. In der Cafeteria kann man bosnische Kekse kaufen, es gibt eine Krabbelgruppe und einen Friseur.
Gebetsräume in ehemaligen Fabrikgebäuden, Gewerberäumen
Es ist einer von 98 islamischen Gebetsräumen in Berlin. Davon sind 91 in ehemaligen Fabrikgebäuden, Gewerberäumen oder Wohnhäusern untergebracht, sieben sind Moscheen mit Minarett. Bis zu 300.000 Muslime leben Schätzungen zufolge in der Bundeshauptstadt. Seit den 1990ern hat sich die Moscheenlandschaft verändert, wie die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus erklärt. Moscheen sind sichtbarer im Stadtbild geworden und vielfältiger. Und: "Die Moscheen sind offener, deutschsprachiger und professioneller."
So wie bei den Bosniaken. "Wir öffnen uns und möchten, dass unsere Gemeindemitglieder das auch tun", sagt Travljanin. Er denkt, dass in seiner Moschee in 10 bis 20 Jahren alles auf Deutsch stattfinden wird. Die junge Generation spreche bereits jetzt besser Deutsch als Bosnisch, beobachtet er. Deshalb wird der Koran etwa im Religionsunterricht in arabisch-deutscher Übersetzung verwendet.
Wunsch nach mehr Unterstützung
In der Zusammenarbeit etwa mit den Imamen Neuköllns sei aber noch "Luft nach oben", kritisiert Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD). So unterstützten eine Broschüre des Bezirks von 2017 zum Thema "Fasten im Ramadan", die empfahl, muslimische Schüler etwa beim Abitur aus Gründen der Leistungsfähigkeit von der Fastenpflicht zu befreien, "nur drei von 21 Moscheevereinen". Klar sei, dass alle Bürger gleichberechtigt sein müssten und dass es für einen immer offener auftretenden Rassismus keinen Platz gebe, sagt Hikel. Er wünscht sich aber bei der Integration mehr Unterstützung von den Moscheevereinen.
Taha Sabri hatte sich hinter die Ramadan-Broschüre gestellt. Er ist Geistlicher der Dar-es-Salaam-Moschee der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS). Seine Moschee hat traditionellerweise jeweils einen Eingang für Frauen und für Männer. Dahinter liegt die Garderobe, an der die Schuhe ausgezogen werden. Wer die Moschee betritt, tut dies auf Strümpfen oder mit nackten Füßen. Zu diesem rituellen Füßewaschen vor dem Gebet gibt es im Toilettenraum ein extra tief gelegtes Waschbecken - typisch für Moscheen.
"Ich bin einer, der auf dem Dach tanzt und nicht im Keller."
"Manchmal nutze ich das Freitagsgebet, um einen Vortrag über die deutsche Kultur zu halten. Ich erkläre, wie wir hier leben, dass wir Frauen die Hand geben, dass hier viele Muslima kein Kopftuch tragen." Der zierliche Mann muss ein wenig lächeln, als er das erzählt. "Ich dachte eigentlich, diese Themen hätte ich mittlerweile abgehandelt. Aber das ist anders, seitdem die Flüchtlinge aus Syrien da sind."
Sabri schätzt den Dialog auf vielen Ebenen. Der Tunesier hat gute Kontakte zu der evangelischen Nikodemusgemeinde im Bezirk und ungewöhnlicherweise eine Pressesprecherin, die keine Muslimin ist. Dass seiner Moschee Verbindungen zur Muslimbruderschaft nachgesagt wurden und sie deshalb zwischen 2014 und 2016 im Berliner Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde, hat ihn geärgert, wie er sagt. Seit 2018 ist das gerichtlich verboten, es sei "unzulässige Verdachtsberichtserstattung", befand das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Juli. Er habe nichts zu verbergen, betont Sabri: "Ich bin einer, der auf dem Dach tanzt und nicht im Keller."