Stephen Chow weiß, was ihn erwartet. Am Dienstag, einen Tag nach seiner Ernennung zum Hongkonger Bischof, machte er bei einer Pressekonferenz keinen Hehl daraus, dass ihm die Bürde des Amtes vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse in Hongkong und der schwierigen Beziehungen zwischen dem Vatikan und China nur zu bewusst ist.
Nach Monaten des Nachdenkens und der Beratungen mit Freunden und der römischen Leitung der Jesuiten, seines Ordens, habe er im vergangenen Dezember eigentlich entschieden, das Bischofsamt nicht übernehmen zu wollen, sagte der 61-jährige. "Ich war der Meinung, dass ein Diözesanpriester besser für den Posten geeignet sei", erklärte der jugendlich wirkende gebürtige Hongkonger bei einem auf Kantonesisch und Englisch gehaltenen Pressegespräch.
Dann aber habe Papst Franziskus ihn in einem handschriftlichen Brief persönlich gebeten, die Ernennung zum Bischof anzunehmen. "Weil wir Jesuiten dem Papst Gehorsam geschworen haben, konnte ich nicht mehr ablehnen."
Katholische Kirche in Hongkong in schwieriger Lage
Die katholische Kirche in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong befindet sich in einer schwierigen Lage. Seitdem das Regime in Peking die dortige Demokratiebewegung unterdrückt und das politische System jenem der Volksrepublik angleicht, geraten auch kirchliche Vertreter und Laien unter Druck.
Wohl aus Rücksicht auf das 2018 geschlossene vorläufige Abkommen des Heiligen Stuhls mit Peking zur Ernennung von Bischöfen haben Papst und Vatikan bisher fast jeden Kommentar zur chinesischen Repression in Hongkong vermieden.
Chow steht vor der schwierigen Aufgabe, die in Demokraten und China-Loyalisten gespaltenen Katholiken Hongkongs zu einen, wobei die große Mehrheit der 404.000 Katholiken auf der Seite der Demokratiebewegung steht. Auf der Pressekonferenz, deren Mitschnitt auf der Webseite des Bistums veröffentlicht wurde, stellte der Theologe, Psychologe und Experte für Organisationsentwicklung klar: "Einheit ist nicht gleichzusetzen mit Uniformität. Wir müssen Pluralität respektieren."
China ist Chow alles andere als fremd, auch wenn er den Eindruck erweckt, er sei als Priester, der sein ganzes Leben der Bildung junger Menschen gewidmet habe, unversehens aus dem akademischen Elfenbeinturm in die Welt von Politik und Diplomatie gestoßen worden.
Auf die Frage nach der Unterdrückung von Katholiken in China sagte Chow, es sei "nicht weise" Angelegenheiten zu kommentieren, die er "ohne ausreichende Informationen nicht ganz verstehe". "Es ist nicht so, dass ich Angst habe. Aber ich glaube, Besonnenheit ist auch eine Tugend."
Eigenständigkeit der etwa 300 katholischen Schulen bewahren
Chow hat schon vor Jahren die Macht Chinas sehr direkt erfahren, als die von ihm maßgeblich mitbetriebene Etablierung einer Universität der Jesuiten in Hongkong am Widerstand des damaligen pro-chinesischen Regierungschefs Leung Chun-ying scheiterte. Auch als Provinzial der China, Macao, Hongkong und Taiwan umfassenden Jesuitenprovinz musste sich Chow wohl mit den Auswirkungen des komplexen Verhältnisses zwischen Vatikan und Peking auf den Alltag von katholischen Priestern, Ordensleuten und Laien befassen.
Die Gleichschaltung von Hongkongs Bildungssystem ist nach Ansicht von Experten das nächste Ziel Chinas. Chow ist sich der Herausforderung als Bewahrer der Eigenständigkeit der etwa 300 katholischen Schulen bewusst, von denen 2019 viele - wie das Wah Yan College, dessen Supervisor Chow noch ist - Epizentren der Protestbewegung waren. Er wolle allen Seiten "zuhören" und "Brücken bauen", betont er mit fester Stimme und fügte hinzu: "Aber ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich neutral bin."
Der Katholik Benedict Rogers hält Chow für eine gute Wahl. "Er verteidigt klar die Religionsfreiheit und seinen Glauben an Pluralität. Er hat zu verstehen gegeben, dass er für die Opfer des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens 1989 beten wird, ohne offen das Regime der Kommunistischen Partei Chinas zu provozieren", sagte der Gründer von "Hong Kong Watch" aus London der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Und er fügte hinzu, als Jesuit habe Chow vielleicht auch eher das Ohr von Papst Franziskus. "Die Zeit wird das zeigen, aber die ersten Zeichen sind positiv und ermutigend."