Kaum Korruption, saubere Straßen und ein funktionierender Gesundheitssektor - Ruanda gilt als Afrikas Zukunftsmodell. Morgen und übermorgen wählt das ostafrikanische Land einen neuen Präsidenten. Doch Beobachter sprechen von einer "Krönung statt einer Wahl", denn der Sieger steht so gut wie fest: Paul Kagame hat sein Land seit 17 Jahren fest im Griff.
Kritiker werfen dem 59-Jährigen einen zunehmend autokratischen Führungsstil vor. Um sich für eine dritte Amtszeit aufstellen zu lassen, unterzog Kagame die Verfassung 2015 einem Referendum. Das Parlament und 98 Prozent der Wähler sprachen sich für eine Verfassungsänderung und damit die Möglichkeit einer dritten Amtszeit aus.
"Er hat uns durch schwierige Zeiten geleitet"
Die hohe Zustimmung überrascht nicht: 1994 hatte sich Kagame das Vertrauen der Ruander buchstäblich erkämpft. Als junger General der Rebellenbewegung "Ruandische Patriotische Front" (RPF) beendete er den Völkermord, bei dem 800.000 Tutsis und gemäßigte Hutus starben.
"Ich werde Kagame wählen, weil er uns durch schwierige Zeiten geleitet hat. Der Plan war, uns alle auszulöschen, aber er hat das Blutvergießen beendet", sagte die Genozid-Überlebende Therese Nyinawankusi jüngst der ruandischen Zeitung "New Times".
Ruanda: Beispiel afrikanischer Renaissance?
Die Straßen sind sicher und aus den Sümpfen der Hauptstadt Kigali sprießen Hotels. Schon jetzt gilt Ruanda als "Afrikas Singapur". In den kommenden Jahren will die Nation zum ostafrikanischen Knotenpunkt der IT-Branche und zu einem internationalen Konferenzzentrum werden.
Die Voraussetzungen sind gut. Seit 1998 ist die Säuglingssterblichkeit um zwei Drittel gesunken, etwa 41 Prozent der Staatsausgaben fließen in Gesundheit und Bildung. "Vor zwei Jahrzehnten herrschte die einhellige Meinung, Ruanda sei ein gescheiterter Staat", erinnert sich Richard Sezibera, ehemaliger Vorsitzender der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC). "Heute zählt das Land zu den schnellstwachsenden Wirtschaften der Welt. Ruanda ist ein großartiges Beispiel dafür, wie afrikanische Renaissance aussehen sollte."
Schattenseiten Ruandas
Wenige Ruander bestreiten, dass Kagame ihr Leben verbessert hat. Doch der Preis, den der Friedensstifter verlangt, ist hoch: uneingeschränkte Macht.
Etliche Oppositionsparteien wurden verbannt und auch Aktivisten und Journalisten fristen in Ruanda kein einfaches Leben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beschuldigte die Behörden im vergangenen Jahr, "Menschenmengen, darunter Obdachlose, Kleinhändler und Straßenkinder" von den Straßen zu sammeln und in sogenannten Transitzentren wegzusperren. Dort lebten sie ohne Gesundheitsversorgung mit unzureichend Wasser und Nahrung.
Repression ist Alltag
Kagame ist sich der Kritik an seinem Regime und dessen negativer Menschenrechtsbilanz bewusst. Sein hartes Durchgreifen rechtfertigt er jedoch mit der bedrohten Stabilität. Er bezeichnet politische Gegner als Aufständische, die eine Rückkehr in die Chaos-Epoche von 1994 beabsichtigten. Die eingeschränkten Freiheiten vergleicht er mit den Strafen, mit denen einige europäische Länder gegen Holocaust-Leugner vorgehen. "Abgesehen davon ist Ruanda ein sehr offenes und freies Land", so Kagame.
Zwar ist Ruanda für friedliche Wahlen bekannt - der Einfluss des Regimes ist jedoch auch im Wahlprozess sichtbar. Mehrere Kandidaten wurden disqualifiziert. Als einzige Herausforderer blieben Frank Habineza von der "Grünen Partei" und der unabhängige Kandidat Philippe Mpayimana übrig. Sie setzen auf das, was Kagame vergaß, während er Ruanda in eine entwicklungspolitische Oase verwandelte: demokratische Grundwerte.
Die alternativ Kandidaten
"Demokratie ist schwierig zu erreichen, aber wir können es schaffen", so Matto Habinezas. Daneben setzt der frühere Umweltaktivist auf Populismus: Land für Arme und eine Mauer an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo.
Auch der ehemalige Journalist und Lehrer Mpayimana will "Ruanda in eine vollständige Demokratie verwandeln, wo niemand mit Konsequenzen rechnen muss, wenn er sich politisch engagiert". Dem 47-jährigen Newcomer werden die geringsten Chancen eingeräumt. Vielleicht aber ist es gerade sein Image als mittelloser Demokrat, das sich im kompromisslosen Kagame-Staat als Stärke herausstellt.