domradio.de: Hilft denn Beten - zum Beispiel jetzt bei sommerlichen Temperaturen in der Wohnung - dabei, gut schlafen zu können?
Dr. Michael Feld (Facharzt für Allgemeinmedizin und Somnologe sowie Co-Autor des "Beurer Schlafatlas 2017"): Witzigerweise haben wir herausgefunden, dass Leute, die abends beten, im Schnitt tatsächlich besser schlafen als Leute, die nicht beten. Wir haben für unsere Studie gefragt, wer besonders gut, wer eher mittelmäßig und wer eher schlecht schläft. Von den Menschen, die beten, haben die meisten gesagt, dass sie sehr gut schlafen. Man weiß von früher, dass Rituale, wie beispielsweise das Rosenkranzgebet oder andere Rituale, zu denen das Beten aber auch gehörte, die Seele stabilisiert.
domradio.de: Warum hat das Beten denn so eine positive Wirkung auf den Schlaf?
Feld: Weil man zur Ruhe kommt und weil die Seele dadurch einen Anker kriegt. Nach der Erfindung der Glühbirne gab es für den Menschen keinen Zwang mehr, zu einer bestimmten Zeit ins Bett zu gehen. Dunkelheit macht müde. Seit wir aber künstliches Licht haben, ist es für manche Menschen ganz schwierig einzuschlafen, weil sie sich disziplinieren müssen. Ein Abendritual wie das Beten hat einerseits einen beruhigenden, wiederkehrenden Charakter. Zum anderen haben Leute, die glauben, das Gefühl, sich anheimfallen lassen zu können. Da ist noch etwas, das größer ist als sie selbst. Dann können sie sich beruhigt in den Schlaf begeben.
domradio.de: Gibt es ein Gebet, dass sich besonders vor dem Einschlafen eignet?
Feld: Das kann man nicht allgemein beantworten. Für Leute, die eher an einen strafenden Gott glauben, ist das Beten auch eher kontraproduktiv. In dem alten Kinderlied "Guten Abend, Gute Nacht" heißt es ja auch: "Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt". Da muss man sich die Frage stellen, wieso man einem Kind eine relativ brutale Szene vorsingt. Das kam aus der Zeit der Kindersterblichkeit. Da wurde jeden Abend dafür gebetet, dass das Kind am nächsten Morgen auch wieder aufwacht. Man muss natürlich in diesem Zusammenhang hinzufügen, dass die Kinder, die dieses Lied vorgesungen bekommen haben, den Kontext nicht verstanden haben. Neben der Angst wegen der Kindersterblichkeit ging es aber auch darum, sich von einer größeren Macht beschützen zu lassen. Schlafen hat tatsächlich etwas damit zu tun, loslassen zu können und wirklich komplett das Bewusstsein zu verlieren. Dazu muss man bereit sein. Leute, die sehr ängstlich sind, können das nicht.
domradio.de: Gibt es denn noch andere Möglichkeiten, um den Schlaf angenehmer und erholsamer zu gestalten? Gerade bei höheren Temperaturen?
Feld: Die Raumtemperatur hat viel damit zu tun, ob man biologisch gut schlafen kann. Man sagt, dass Schlafzimmer sollte idealerweise zwischen 16 und 18 Grad temperiert sein, maximal bei 20 Grad. Wenn es richtig heiß draußen ist, dann hilft auch das Beten nicht allzu viel. Dann ist es einfach zu warm im Schlafzimmer und die Temperatur kann man ja nicht runter beten. Runter kühlen hat etwas damit zu tun, gut schlafen zu können. Da hilft es schon manchmal, das Schlafzimmer gut durchzulüften oder gegebenenfalls einen Ventilator aufzustellen. Wer mag, kann sich auch einen kühlen Lappen auf den Kopf legen. Oder, wer viel Platz in seinem Kühlschrank hat, kann dort das Kopfkissen vor dem Schlafen abkühlen. Es gibt Studien, die zeigen, dass ein runtergekühlter Kopf beim Schlafen hilft.
Das Interview führte Silvia Ochlast.