Zwei Jahre hat Bethlehem auf diesen Moment gewartet. Die Corona-Pandemie, die den für die Stadt so wichtigen Tourismussektor lahmgelegt hatte, ist weitestgehend vorbei, die Grenzen sind wieder offen. Doch auch wenn die meisten Hotels zu Weihnachten wieder ausgebucht waren: Einheimische Christen und Muslime sowie asiatische Gastarbeiter aus Israel stellten das Gros der Weihnachtsbesucher in Bethlehem. Die Weihnachtsstimmung in der Geburtsstadt Jesu blieb verhalten.
Auf dem regennassen Kopfsteinpflaster der "Star Street" funkelt noch Glitzerkonfetti im Schein der Weihnachtsbeleuchtung; Überreste des feierlichen Auftakts des Heiligen Abends. Am Mittag war der Lateinische Patriarch von Jerusalem, der italienische Erzbischof mit dem zungenbrecherischen Namen Pierbattista Pizzaballa, über eben diese Straße zum Krippenplatz und weiter zur Geburtskirche gezogen, so, wie es Pilger über Jahrhunderte taten.
Jubel, Applaus und Konfetti
Ein paar tausend Pfadfinder aus 28 örtlichen Pfadfindergruppen untermalten den Einzug des kirchlichen Ehrengasts mit Weihnachtsliedern in Trommel-Dudelsack-Blasinstrument-Besetzung. Die den Zugweg säumende Menge steuerte Jubel, Applaus und das Konfetti bei und ließ sich auch vom einsetzenden Regen kaum beeindrucken.
Einmal mehr traf der Tross mit deutlicher Verspätung auf dem Krippenplatz ein, von wo aus die kirchliche Delegation zum liturgischen Auftakt, der ersten Vesper, in die Grabeskirche und weiter in die franziskanische Katharinenkirche zog.
Dies ist der Moment, in dem sich traditionell ausländische Gäste und Einheimische auf dem Krippenplatz mischen um, für westliche Ohren ungewohnt laut und schrill, die Heilige Nacht mit Zuckerwatte und Konzerten einzuläuten. Wetterbedingt wurden die angekündigten Konzerte kurzfristig ins benachbarte "Peace Center" verlegt. Der Regen unterstrich die Melancholie des Moments.
Blinkende Osterhasenohren
Auf dem Platz zurück blieben einige Dutzend, überwiegend einheimische Besucher, inmitten von Garküchen und Straßenverkäufern. Neben traditionellen Weihnachtsmützen mit oder ohne Beleuchtung waren beleuchtete Ballons in diesem Jahr im Trend. Der eigentliche Anlass des Tages geriet dabei in den Hintergrund. Von "Frohe Ostern" über "Happy Birthday" und "I love you" bis "Frohes neues Jahr" reichte die Palette der Ballonbeschriftungen. Alternativ gab es blinkende Osterhasenohren zu kaufen.
Allein, das Funkeln und Leuchten konnte nicht über die traurige Bilanz des endenden Jahres und die Sorge um die Zukunft hinwegtäuschen. 224 Palästinenser starben laut der Ansprache des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas beim traditionellen Weihnachtsabendessen seit Jahresbeginn in Konfrontationen mit der israelischen Armee, "eine Todesrate, die uns Jahrzehnte zurückwirft", wie es Patriarch Pizzaballa in seiner Weihnachtspredigt in der zentralen Christmette formulierte. Auch auf israelischer Seite war die Zahl der Todesopfer durch palästinensische Gewalt mit 31 so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr.
"Wir sehen mit unseren Augen, dass Gewalt unsere Hauptsprache geworden zu sein scheint", beklagte Pizzaballa. Die gegenwärtigen Tendenzen in der israelischen Politik bärgen die Gefahr, ein ohnehin fragiles multireligiös und multiethnisches Gesellschaftsgefüge zu zerbrechen, während eine Lösung des anhaltenden israelisch-palästinensischen Konflikts immer weiter in die Ferne rücke.
Große politische Sorge
Von gemischten Gefühlen im Blick auf Weihnachten sprach Pizzaballas Mann für die katholischen Migranten und Asylsuchenden im Land, Patriarchalvikar und Benediktinerpater Nikodemus Schnabel am Samstag in einem Interview mit der ARD: Unter die Weihnachtsfreude und das wirtschaftliche Aufatmen über das Ende der Pandemie und die Rückkehr der Pilger mische sich eine große politische Sorge.
Diese gemischten Gefühle waren spürbar in Bethlehem in dieser Weihnacht. Und während der palästinensische Präsident Mahmud Abbas in seiner Weihnachtsbotschaft die Bedeutung der Christen als integraler Bestandteil der Region und des palästinensischen Volkes hervorhob, den es gegen die Auswirkungen der israelischen Besatzungspolitik zu schützen gelte, nahm Patriarch Pizzaballa seine Gläubigen persönlich in die Pflicht. "Frieden, den wir alle begehren, kommt nicht von selbst. Er wartet auf Männer und Frauen, die Gottes Wort in konkrete Handlungen zu übersetzen wissen", predigte er aus der Katharinenkirche. Die Geburt des Kindes von Bethlehem markiere zugleich die Geburt einer neuen Gelegenheit für Beziehungen zwischen Menschen.