Missbrauchsbeauftragter sieht Fortschritte bei der EKD

Betroffene nie wieder als Bittsteller behandeln

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sieht Fortschritte im Umgang der evangelischen Kirche mit den Skandalen der Vergangenheit. Aber es gebe noch viel zu tun, sagt er.

Johannes-Wilhelm Rörig / © Matthias Jung (KNA)
Johannes-Wilhelm Rörig / © Matthias Jung ( KNA )

epd: An diesem Dienstag sprechen Sie vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Dresden. Auf der EKD-Synode vor einem Jahr wurde ein Elf-Punkte-Plan zum Umgang mit der Missbrauchs-Problematik beschlossen. Ist die Kirche in den letzten zwölf Monaten vorangekommen?

Johannes-Wilhelm Rörig (Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung): Wichtige Schritte sind absolviert, weitere müssen aber folgen. Es sind eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet und unabhängige Studien zur Aufarbeitung ausgeschrieben worden.

Wichtig ist auch, dass ein Betroffenenbeirat bei der EKD eingerichtet werden soll. Der Beauftragtenrat, mit dem ich zusammenarbeite, ist ein stark besetztes und sehr kompetentes Gremium.

Ich kann kein uneingeschränktes Lob aussprechen, aber die Aufarbeitung hat tatsächlich Fahrt aufgenommen. Zentral ist, dass die evangelische Kirche ein verbindliches Fundament schafft für die umfassende Aufarbeitung der Missbrauchsskandale. Es darf niemals mehr passieren, dass Betroffene als Störende und Bittstellende behandelt werden. Vielmehr müssen sie Unterstützung bei der individuellen Aufarbeitung bekommen und mit starken Rechten ausgestattet werden.

Das verhandeln wir ja im Moment mit dem Beauftragtenrat.

epd: Wie soll die evangelische Kirche mit Entschädigungsforderungen umgehen?

Rörig: Die evangelische Kirche wird genau wie die katholische Kirche nicht umhinkommen, eine Antwort zu geben. Die Entschädigungsfrage muss unter Einbeziehung von Betroffenen beantwortet werden. Dafür muss ein Rahmen geschaffen werden, um Vorschläge und Erwartungen, aber auch die finanziellen Möglichkeiten zu diskutieren.

Die bisherige Vorgehensweise ist ja ein bisschen intransparent.

Wir wissen nicht genau, was im Einzelnen in welcher Landeskirche geleistet wurde. Diese eher individuelle Vorgehensweise für Unterstützungsleistungen sollte kritisch reflektiert werden. Ich halte allerdings auch nichts davon, einfach Zahlen in die Welt zu setzen und einen Wettbewerb um die höchste Summe zu führen.

epd: Herr Rörig, welche Botschaft möchten Sie der Synode mitgeben?

Rörig: Ich will für die dramatische gesellschaftliche Problematik sensibilisieren, dass in Deutschland tausende Mädchen und Jungen sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Durch die digitalen Medien kommen neuartige Taten und Formen sexueller Gewalt hinzu. Wir dürfen nicht einfach so hinnehmen, dass zehn Jahre nach dem sogenannten Missbrauchsskandal sexuelle Gewalt noch immer trauriger Alltag vieler Kinder und Jugendlichen ist.

Ich möchte, dass auch durch das Engagement in evangelischen Einrichtungen erreicht wird, dass sexueller Missbrauch verhindert und so schnell wie möglich beendet wird. Dafür müssen alle hinschauen und sich für Schutz und Hilfe einsetzen: Kein betroffenes Kind darf übersehen werden. Wir wissen aus der Arbeit der Aufarbeitungskommission, wie sehr Kinder darunter leiden, wenn Mitwissende oder Vertrauenspersonen untätig bleiben und schweigen.

Bezogen auf Prävention und Intervention sowie Aufarbeitung muss die Kirche nicht nur das Maximum wollen, sondern auch das Maximum tun.

Das Interview führte Bettina Markmeyer.


Quelle:
epd
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