Schlüsselfigur des Missbrauchsskandals in Chile gestorben

Betroffene wollen weiter für Gerechtigkeit kämpfen

Im Alter von 90 Jahren ist der ehemalige katholische Priester Fernando Karadima gestorben. Er stand im Zentrum eines großen Missbrauchsskandals. Sein Fehlverhalten stürzte die chilenische Kirche in eine schwere Krise.

Die chilenischen Missbrauchsopfer Juan Carlos Cruz (l.), James Hamilton (m.) und Jose Andres Murillo (r.)  / © Paul Haring (KNA)
Die chilenischen Missbrauchsopfer Juan Carlos Cruz (l.), James Hamilton (m.) und Jose Andres Murillo (r.) / © Paul Haring ( KNA )

In Chile ist der ehemalige katholische Priester Fernando Karadima im Alter von 90 Jahren gestorben. Er stand im Zentrum eines großen Missbrauchsskandals, der die katholische Kirche in Chile erschütterte und bis heute nachwirkt.

Den Tod Karadimas teilte das Erzbistum Santiago de Chile am Montag (Ortszeit) in einer kurzen Stellungnahme mit: "Die Erzdiözese hat Kenntnis über den Tod von Fernando Karadima erhalten", heißt es in dem auf der Internetseite des Bistums veröffentlichten Schreiben. Das Erzbistum begleite die überlebenden Opfer und ihre Familien und bitte "den barmherzigen Gott, den Schmerz zu heilen, der allen Leidenden zugefügt wurde". Gleichzeitig bekräftigte die Erzdiözese die Verpflichtung, weiterhin an der Förderung einer "gesunden und sicheren Umgebung in der Kirche" zu arbeiten.

Ehemalige Betroffene reagieren

Auch ehemalige Betroffene von Missbrauch reagierten in einer Stellungnahme auf den Tod Karadimas. James Hamilton, Juan Carlos Cruz und Jose Andres Murillo, die zu jenen Opfern zählten, die am härtesten für die Aufarbeitung des Skandals kämpften, erklärten in den Sozialen Netzwerken: "Fernando Karadima, ein ehemaliger katholischer Priester, der viele Menschen sexuell und spirituell missbraucht hat, einschließlich uns, ist gestorben. Alles, was wir über Karadima zu sagen hatten, wurde gesagt. Er war ein weiteres Bindeglied in dieser Kultur der Perversion und Vertuschung in der Kirche."

Gegen Verbrechen kämpfen

Juan Carlos Cruz half gemeinsam mit Murillo und Hamilton, den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Chile an die Öffentlichkeit zu bringen. Die drei waren als Jugendliche von
Karadima missbraucht worden. Im Frühjahr 2018 traf sich Papst Franziskus mit den Männern mehrere Tage im Vatikan, um über Ursachen und Konsequenzen des Skandals zu sprechen.

Sie lebten nun in Frieden und seien motiviert, weiter zu kämpfen, "damit diese Verbrechen nicht noch einmal passieren und für so viele Menschen, die sie erlebt haben und immer noch keine Gerechtigkeit haben", heißt es in ihrer Erklärung. Cruz ist seit kurzem Mitglied der vatikanischen Kinderschutzkommission.

2011 vom Vatikan verurteilt

Der als charismatisch beschriebene Karadima stand im Mittelpunkt einer Missbrauchskrise in der katholischen Kirche in Chile. Er wurde 2011 vom Vatikan wegen Vergehen an Minderjährigen verurteilt. Aus seinem Umfeld gingen mehrere Bischöfe hervor, darunter auch der zurückgetretene Bischof Juan Barros (65) von Osorno, den Opfer Karadimas der Mitwisserschaft beschuldigten. Unter anderem der Widerstand der Gläubigen in der Diözese Osorno war maßgeblich dafür, dass der Papst und die Kirche in Chile schließlich einer umfassenden Aufklärung der Vorwürfe zustimmten. Papst Franziskus entließ Karadima Ende September 2018 aus dem Klerikerstand.

Ermittlungen wegen mehr als 150 Verdachtsfällen

Medienberichten zufolge ermittelte Chiles Justiz zeitweise in mehr als 150 Verdachtsfällen wegen Missbrauchs gegen mehr als 200 Kirchenmitarbeiter. Bei den mutmaßlichen Betroffenen gehe es um mindestens 240 Personen, von denen 123 zum Tatzeitpunkt minderjährig gewesen seien. Auf dem Höhepunkt der Krise hatten 29 chilenische Bischöfe ihr Amt zur Verfügung gestellt, um einen Neuanfang zu ermöglichen und Verantwortung zu übernehmen.

Der heutige Erzbischof von Santiago de Chile, der inzwischen zum Kardinal ernannte Celestino Aos, bat 2019 im Rahmen eines Besuchs der Opfer-Initiative "Para la confianza" um Entschuldigung für die erlittene Gewalt. Die Gründer der Initiative waren Hamilton, Cruz und Murillo. Die Zeitung "La Tercera" zitierte damals den Opfervertreter Hamilton mit den Worten, Aos habe von einer "unendlichen Schuld" gesprochen. Nach den Worten des damaligen Bischofs gehe es darum, einen Prozess der Wiedergutmachung zu beginnen. Dies sei zugleich der einzige Weg, wie die katholische Kirche Vertrauen wiedergewinnen könne.

Zuvor hatte ein Berufungsgericht in Santiago de Chile eine Entschädigungsforderung von Cruz, Hamilton und Murillo für den erlittenen sexuellen Missbrauch für rechtens erklärt. Demnach musste die Kirchenleitung den drei Klägern umgerechnet je 130.000 Euro zahlen.


Quelle:
KNA