Das Leben von Maria C. ist eine andauernde Flucht. Mit 13 Jahren versteckte sich die heute 46-Jährige mit ihrer Familie vor den Militärs in den Bergen Guatemalas. Mit Todesangst schaffte sie es 2016 in die USA. Es folgten Haft, Fußfesseln und Schikanen der Heimatschutzbehörde.
Als ihre sicherste Zeit empfand sie, als sie ab September 2018 Schutz im Kirchenasyl in der "Wesley Memorial United Methodist Church" in Charlottesville erhielt. "Die Kirche hat mich unterstützt", erzählte sie einem Reporter der "Washington Post". "Ich glaube, dass Gott einen Plan hat für all die Ungerechtigkeiten."
Biden griff das Thema direkt auf
Für die Zeitung ist Marias Schicksal eine von vielen Flüchtlings-Biografien - und ein Beispiel für die neue Hoffnung der Betroffenen, seit Joe Biden im Weißen Haus das Sagen hat. Jahre der Angst mit dem Gefühl von Verfolgung scheinen vorbei. Kürzlich ließ das US-Leitmedium Flüchtlinge zu Wort kommen und vermittelte damit tiefe Einblicke in den Alltag von Menschen, die bislang jederzeit verhaftet und über die Grenze abgeschoben werden konnten.
Biden erklärte gleich am ersten Tag seiner Amtszeit die Einwanderungspolitik zur Priorität und verfügte einen Abschiebestopp für 100 Tage. Viele Flüchtlinge im Kirchenasyl atmeten auf und trauten sich wieder ins normale Leben.
Blockade durch Trump-Bundesrichter
Jose Chicas verließ sein Kirchenasyl in der "School of Conversion" in Raleigh in Bundesstaat North Carolina nur vorübergehend. Er traute der Situation nicht - mit Recht. Denn Ende Februar blockierte ein von Donald Trump ins Amt berufener Bundesrichter in Texas das Moratorium landesweit.
Drew Tipton urteilte, Bidens Verordnung verstoße gegen geltendes Recht. Die US-Regierung könne nicht nachweisen, warum ein Abschiebestopp gerechtfertigt sei. In der Folge schoben die Behörden trotz Moratoriums Hunderte Asylbewerber ab. Deshalb verharren viele Flüchtlinge immer noch im Kirchenasyl.
Tradition des Kirchenasyls in den USA
Der politische Schutzraum Kirche hat seit den frühen 80er Jahren Tradition. Er bot Menschen, die vor Kriegen und Kriminalität aus Mittelamerika in die USA geflohen waren, einen sicheren Zufluchtsort. Katholiken, Baptisten, Juden, Quäker oder Orthodoxe öffneten ihre Gotteshäuser und stellten sich mit zivilem Ungehorsam schützend vor die Flüchtlinge. Auf dem Höhepunkt umfasste die sogenannte Sanctuary-Bewegung mehr als 500 Gemeinden in den USA.
Dazu zählt auch die "Unitarian Society of Northampton and Florence" in Massachusetts, in der Frida Kakhtiranova seit drei Jahren den Schutz der Gemeinde erfährt. Sie weiß, dass sie unter die Anordnung Bidens fällt. Aber seit der einstweiligen Verfügung in Texas will sie sich darauf allein nicht verlassen. "Ich brauche das schriftlich", so die 39-Jährige.
Reform des Asyl- und Einwanderungsrechts
Der neue Präsident will das Moratorium vor allem als Signal verstanden wissen. Es steht im Kontext eines umfassenden Reformpakets im Asyl- und Einwanderungsrecht. Der Entwurf sieht vor, dass die Einwanderer ohne Papiere fünf Jahre lang in den USA arbeiten dürfen. Danach können sie die Greencard zur Arbeitserlaubnis beantragen und nach weiteren drei Jahren den US-Pass erhalten.
Vorgesehen ist auch, Einschränkungen für die Familienzusammenführung aufzuheben und die Zahl der Arbeitsvisa zu erhöhen. Derzeit dürfen jährlich maximal 55.000 Einwanderer eine Greencard erhalten. Bidens Plan sieht eine Erhöhung auf 80.000 vor. Junge Erwachsene, die als Kinder ohne Papiere eingereist sind, die sogenannten "Dreamer", können sich demnach ebenso wie Flüchtlinge mit temporärem Schutzstatus direkt um Greencards bewerben.
Rückendeckung durch katholische Bischöfe
Die katholischen US-Bischöfe begrüßen den Gesetzentwurf. Mario Dorsonville, Weihbischof in Washington und Vorsitzender des Migrationsausschusses der US-Bischofskonferenz, forderte schon Anfang Februar den Kongress auf, das neue Einwanderungsgesetz zu verabschieden. Doch der Weg bis dahin ist noch lang, und das per einstweiliger Verfügung gestoppte Moratorium läuft Ende des Monats endgültig aus.
Für Maria C. ein gemischter Segen. Sie traut dem Katholiken im Weißen Haus, nicht aber dem Kongress oder Gerichten. Wenn es ernst wird, weiß sie, wo sie Zuflucht findet. Die Methodisten-Gemeinde in Charlottesville würde sie jederzeit wieder aufnehmen.