Vielleicht hat sich der US-Präsident an einen Meinungsbeitrag von Joseph "Joe" Donnelly im "Indianapolis Star" erinnert, als er seine Wahl für den früheren Senator als neuen US-Botschafter am Heiligen Stuhl traf. Der praktizierende Katholik hatte mitten im Wahlkampf 2020 eine Lanze für Joe Biden gebrochen, dessen Glauben nicht nur Donald Trump, sondern auch einige US-Bischöfe regelmäßig in Zweifel zogen.
Biden und die Kommunion
Biden "lebe seinen Glauben jeden Tag" und arbeite daran, Amerika wieder zu einem "moralischen Kompass" für die Welt zu machen, verteidigte Donnelly seinen Freund gegen Angriffe wegen dessen Haltung in der Abtreibungsfrage.
Rechte Katholiken hatten gefordert, Biden die Kommunion zu verweigern, weil er hinter dem Grundsatzurteil "Roe gegen Wade" von 1973 steht, das Schwangerschaftsabbrüche zur Privatsache erklärt und in den meisten Bundesstaaten nahezu uneingeschränkt ermöglicht.
Dass Donnelly dies als Pro-Life-Demokrat tat, hat Biden ihm nicht vergessen. Zumal der ehemalige Senator aus dem Bundesstaat Indiana in seiner eigenen Partei zu einer Minderheit gehört. Seine Berufung für den Botschafterposten im Vatikan verstehen die "Demokraten für das Leben" als "eine wohlverdiente Ehre".
Donnellys katholischer Glaube
Er sei eine "ideale Wahl, die Vereinigten Staaten im Vatikan zu vertreten", kommentiert auch der Präsident der katholischen Universität Notre Dame, John Jenkins, die Entscheidung. Donnelly erwarb an der renommierten Hochschule zuerst seinen Bachelor, anschließend promovierte er an der hoch geachteten Law School und gehörte danach dem Lehrkörper an.
Er bringe ein "tiefes Verständnis" für die Probleme der Nation und der Welt mit, sagte Jenkins. Dabei werde er von "einem echten katholischen Glauben" geleitet, "welche Rolle die Kirche in unserer Welt spielen kann", so der Uni-Präsident.
Erfahrener Jurist
Sollte der Senat Donnelly bestätigen, wäre er der dritte "Notre Dame"-Professor, den Biden in sein Team berufen hat. Der 66-Jährige selbst soll dabei tatkräftig mitgeholfen haben, berichten US-Medien. Der zweifache Familienvater habe sich gleich für mehrere Botschafterposten gegenüber Parteifreunden ins Spiel gebracht.
Donnellys beruflicher Werdegang weist ihn als erfahrenen Juristen und Politiker aus. Von 2013 bis 2019 war er Senator von Indiana. Außenpolitische Erfahrung sammelte er im Streitkräfte-Ausschuss des Senats. Zuvor vertrat er einen Wahlbezirk seines Heimatstaates im Repräsentantenhaus.
Seit er mit einer Wiederwahl in den Kongress scheiterte, ist der Katholik irischer Abstammung Partner der international renommierten Anwaltskanzlei "Akin Gump Strauss Hauer & Feld LLP" in Washington, mit exzellenten Kontakten zum Capitol Hill.
Republikanische Tendenzen
Was ihn für den besonderen Posten im Vatikan prädestiniert, ist seine Rolle im zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampf. Damals fungierte Donnelly als Sprecher der demokratischen Wahlkampagnen-Mannschaft "Katholiken für Biden" (Catholics for Biden).
Der 66-Jährige gilt innerhalb der Demokratischen Partei programmatisch als Außenseiter. Er vertritt bei zentralen politischen Themen Positionen, die bei vielen Republikanern besser ankommen als bei seinen Parteifreunden. Dazu gehörte die Entscheidung 2017, als einer von drei demokratischen Senatoren für Trumps Kandidaten für den Supreme Court, Neil Gorsuch, zu stimmen.
Glaubenstradition
Handelspolitisch gilt Donnelly als Protektionist, er steht für die Förderung alternativer Energien, ist aber unter Umweltschützern nicht sonderlich beliebt. Privaten Waffenbesitz unterstützt er. 2015 sprach er sich gegen die Förderung von "Planned Parenthood" aus, die auch Abtreibungen durchführt und machte sich damit Feinde in der eigenen Partei. Seit 2013 zählt er zu den Unterstützern der gleichgeschlechtlichen Ehe, die er zuvor abgelehnt hatte.
Bidens Entscheidung für Donnelly dürfte nicht nur fachliche Gründe haben. Er und der Präsident kämen "aus derselben irisch-katholischen Glaubenstradition", betont Donnelly.
Schwere Schicksalsschläge
Und auch die Schicksalserfahrung verbindet die beiden Männer. Wie der Präsident, der seine erste Frau und seine Tochter bei einem Autounfall verlor und Jahre später seinen Sohn Beau durch einen Gehirntumor, musste der Vatikan-Botschafter in spe ein trauriges Lebenskapitel verkraften.
Mit zehn Jahren verlor er seine Mutter, die an Krebs starb. Sein tief religiöser Vater zog ihn und seine Geschwister alleine auf. Das hätte er ohne seinen Glauben nie geschafft, habe Donnelly Senior einem Freund anvertraut.
Die Besetzung des Botschafterpostens im Vatikan kommt möglicherweise kurz vor einem Treffen zwischen Joe Biden und Papst Franziskus. Unbestätigten Quellen zufolge soll die Zusammenkunft Ende des Monats stattfinden.