Hinter der Formel des "priesterlichen Gottesvolks", mit der sich die Bischöfe diesmal in Fulda beschäftigten, verbirgt sich eine der heiklen Grundsatzfragen, die das Zweite Vatikanische Konzil vor 50 Jahren der katholischen Kirche hinterlassen hat. Seit das Reformkonzil beschloss, das schon von Martin Luther eingeforderte "allgemeine Priestertum aller Gläubigen" zu betonen, ist die Frage, was denn dann noch das besondere Priestertum der Kleriker ausmacht und wie es mit von Verhältnis von Macht und Dienst in der Kirche bestellt ist.
In theologischen und kirchenpolitischen Debatten bricht diese Konfliktlinie seither immer wieder auf. Ob in der strittigen Frage des Frauenpriestertums, der Abendmahlgemeinschaft mit anderen christlichen Konfessionen, dem Problem der Laienpredigt oder bei Fragen der Gemeindeleitung - immer wieder geht es auch darum, was denn "Priestertum" und "Laienchristentum" letztlich bedeutet.
Virulent wird das Problem vor allem dort, wo aufgrund sinkender Priesterzahlen die "Versorgung" mit klassischen Sonntagsmessen in den gewohnten Pfarreien nicht mehr funktioniert. Seit Jahren versuchen Bischöfe, durch Pfarreien-Zusammenlegungen das Problem wenigstens zu entschärfen. Ein Experiment dieser Art hat zuletzt der damalige Berliner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, eingeläutet, indem er in seinem Erzbistum die Fusion von etwa 100 Pfarreien zu rund 30 Großpfarreien und Pfarrverbänden in Auftrag gab. Die Eucharistiefeier mit den wenigen verbliebenen Priestern müsse aber stets der sakramentale Mittelpunkt bleiben, so seine Vorgabe.
Nicht überall stößt das Konzept auf Begeisterung. Vor allem in Gemeinden, die sich in der Großstadt als Ort der Beheimatung und Geborgenheit verstehen, wächst der Wunsch, kleinteilige, vertraute Strukturen zu erhalten und in Ermangelung von Klerikern gerne auch mal priesterlose Gottesdienste mit Kommunionausteilung zu feiern. Zur Begründung erinnert man in diesem Kontext an die Basisgemeinden in Lateinamerika, die das ja ähnlich praktizierten.
Außerordentliches und großartiges Geheimnis
Bei solchen Ideen läuten in der Bischofskonferenz die Alarmglocken. Man laufe Gefahr, das Verständnis dessen zu verlieren, was Eucharistiefeier und Priestertum nach katholischer Lehre bedeute, lautet eines der Bedenken nicht nur konservativer Bischöfe.
In Fulda jedenfalls wurden eher grundsätzliche Überlegungen vorgetragen. Vielleicht könnte ja die Verknappung des Eucharistieangebotes sogar dazu führen, dass im Kirchenvolk und im Klerus das Bewusstsein dafür wieder geschärft werde, welches außerordentliche und großartige Geheimnis da gefeiert wird, hieß es dem Vernehmen nach in einem der Vorträge beim Studientag. Die Forderung nach einer "flächendeckenden Versorgung" mit Eucharistiefeiern führe in die Irre. Entscheidend sei, wie die Eucharistie so gefeiert werden könne, dass ihr Wesen als Quelle des christlichen Lebens wieder in der Kirche erfahrbar werde.
Einen anderen Akzent hatte der Mainzer Kardinal Karl Lehmann - gewissermaßen der "Altmeister" der Konferenz in theologischen Fragen - bereits vor dem Auftakt des Studientages in einer Predigt im Fuldaer Dom gesetzt. Er betonte, dass die Bereitschaft zu dienen und die Kirche mitaufzubauen die entscheidenden Kriterien bei der Bewertung kirchlicher Ämter seien. Zugleich warnte er eindringlich vor einer Verführung kirchlicher Amtsinhaber durch die Verlockungen der Macht.