Liebe Hörerinnen und Hörer, ich befinde mich hier in der Kindertagesstätte St. Agritius in der Trierer Innenstadt. Die Adventszeit ist in besonderer Weise auch eine Zeit der Kinder. Viele Bräuche in diesen Wochen richten sich gerade an sie. Jeden Tag können sie ein Türchen am Adventskalender öffnen, sodass die Vorfreude auf Weihnachten wachsen kann. Der Nikolaus kommt zu ihnen und voller Ungeduld warten sie darauf, dass am Heiligen Abend das Christkind kommt und sie beschenkt. Viele Kinder backen mit ihren Eltern Plätzchen und schmücken die Wohnung und später auch den Christbaum und die Krippe.
So stehen die Kinder im Advent stärker als sonst im Blickfeld der ganzen Familie. Auch beim Thema Mut, das als Leitwort über dem diesjährigen DOMRADIO.DE-Adventskalender steht, denke ich an die Kinder. Wie viel Mut kostet es, die Welt zu entdecken, sich immer wieder unbekannten und neuen Situationen zu stellen, Grenzen auszuloten und so zu wachsen. Was ein Glück, dass es zum Kindsein dazugehört und Kinder sich in aller Regel gar keine allzu großen Gedanken darüber machen, wie mutig sie eigentlich jeden Tag sein müssen.
Mutigen Kindern bin ich in diesem Jahr in Bolivien begegnet. Seit fast 60 Jahren verbindet das Bistum Trier und die Kirche in Bolivien eine Partnerschaft. In Potosí, einer der höchstgelegenen Städte der Erde, habe ich ein Projekt der dortigen Caritas für Kinder und Jugendliche besucht. Sie tragen mit ihrer Arbeit zum Auskommen ihrer Familien bei. Dieses Projekt nennt sich "Nats" - ins Deutsche übersetzt: Union der arbeitenden Kinder und Jugendlichen in Bolivien. Ich war beeindruckt, wie selbstbewusst und solidarisch dort Kinder und Jugendliche für ihre Rechte kämpfen.
Sie erhalten die Möglichkeit sich zu treffen, miteinander zu diskutieren und sich gegenseitig zu helfen. Unterstützt werden sie dabei von Sozialarbeiterinnen. In der "Nats" sind mittlerweile rund 800 Kinder und Jugendliche organisiert, die neben der Schule arbeiten müssen. Als Teil der bolivianischen Kinder-Gewerkschaft haben sie an einem neuen Kinder- und Jugendgesetz mitgearbeitet, das die Erwerbstätigkeit von Kindern zwar nicht gänzlich verbietet, aber den Kinderschutz und die Rechte von Kindern in den Mittelpunkt stellt. Sie wehren sich damit gegen Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen.
An diesem Nachmittag in Potosí konnte ich erleben, wie viel Selbstvertrauen und Mut in diesen Kindern steckt, weil sie an sich glauben und daran, dass sie gemeinsam etwas zum Besseren verändern können. Mit einer solchen Haltung werden die Kinder uns zur Adventsboten. In ihnen können wir ganz konkret erkennen, was adventlichen Hoffnung bedeutet. Es ist die Sehnsucht nach etwas Großem und Gutem. Eine Vision für unser Leben, die Jesus in seiner Verkündigung "Reich Gottes" nennt. Eine solche Vision haben Kinder. Eine solche Vision brauchen wir Menschen für unser Leben, um ein Ziel, einen Sinn zu finden. Und wer eine solche Hoffnung hat, der wird auch bereit, sich und sein Leben für diese gute Sache einzusetzen. Das heißt mitzubauen am Reich Gottes in dieser Welt.
Advent heißt Ankunft. Gott kommt in unsere Welt, damit wir bei Gott ankommen. Jesus sagt es ganz ausdrücklich: Lasst die Kinder zu mir kommen. Es braucht Mut, diese Einladung anzunehmen. Es braucht vor allem für uns Erwachsene Mut, diese Haltung der Kinder einzunehmen. Seien wir mutig, gehen wir dem Herrn in dieser Haltung der Kinder entgegen und werden wir bereit, seiner eigenen Ankunft in unseren Herzen den Weg zu bereiten. Ihnen allen, liebe Hörerinnen und Hörer des Domradio, eine hoffnungsvolle Adventszeit und ein frohes Weihnachtsfest.