Bischof James Foley im australischen Cairns ist alarmiert: Dem Great Barrier Reef vor Küste des australischen Bundesstaats Queensland - dem größten Korallenriff der Erde - droht der Tod. Laut aktuellen wissenschaftlichen Studien hat eine Massenbleiche bereits durchschnittlich 22 Prozent der Korallen an dem 2.300 Kilometer langen Riff den Garaus gemacht. Im nördlichen Teil des Riffs sind 85 Prozent, vor der Küste von Cairns und Port Douglas 16 Prozent der Korallen hinüber.
Tödlicher Cocktail für das maritime Ökosystem
Auch die Kirchenfenster der katholischen Kathedrale St. Monika in Cairns sind einzigartig. In leuchtenden Farben wird die Schöpfungsgeschichte erzählt - in Bildern des australischen tropischen Regenwalds, des knochentrockenen Outbacks und der verschwenderischen Artenvielfalt des Great Barrier Reef. Doch das könnte bald der Vergangenheit angehören: Klimawandel, das Wetterphänomen El Nino, mit Düngemittel belastete Flüsse, verschmutzte Abwässer und Überfischung bilden einen tödlichen Cocktail für das maritime Ökosystem. Die Prognose der Forscher: Wenn das so weitergeht, ist das Riff in 20 Jahren Vergangenheit.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts hat sich für die Korallen der "thermische Stress" verdreifacht. Der El Nino der Jahre 1877-1878 bescherte den Korallen eine um 1,3 Grad höhere Temperatur, der El Nino 1997-1998 ließ die Temperatur um 2,8 Grad steigen und der gerade abklingende El Nino um 3,9 Grad. "Das ist der klare Beweis, dass die globale Erwärmung den thermischen Stress für tropische Korallenriffe intensiviert", sagt Janice Lough, Riff-Expertin des Australischen Instituts für Meereswissenschaft (AIMS).
Neuauflage des Hirtenbriefs über das Great Barrier Reef
Bischof Foley will bei der nächsten Konferenz der Bischöfe von Queensland die Ökokatastrophe auf die Tagesordnung setzen lassen. Sein Ziel: eine Neuauflage des Hirtenbriefs über das Great Barrier Reef der Queensland-Bischöfe aus dem Jahr 2004. "Die Dringlichkeit ist größer denn je. Das ist jetzt in dramatischer Weise offensichtlich", betont Foley. Das Riff sei nicht nur ein einmaliges Ökosystem. Der Niedergang des Riffs als Touristenziel und Fanggrund der Fischer betreffe auch "in erheblicher Weise die Menschen von Queensland und ihre Lebensgrundlage".
Die Bedeutung des Great Barrier Reef reicht zudem weit über Australien hinaus. "Das Riff ist nicht nur in sich selbst ein wertvolles Ökosystem", hieß es schon 2004 in dem Hirtenbrief. "Es ist auch ein integraler Teil des einen Netzes des Lebens auf dem Planeten, das uns alle verbindet - die Menschheit und alle Spezies auf dem Land und im Meer, Regenwald und Riff, Berge, Ebenen und die Wüsten im Landesinneren."
Die Grundprobleme des Riffs waren vor zwölf Jahren die gleichen wie heute. Nur mit dem Unterschied, dass seitdem alles noch schlimmer geworden ist. So schlimm, dass der Entzug des Weltkulturerbe-Status wie ein Damoklesschwert über dem Riff hängt. Die UN-Kulturorganisation Unesco hat Australien für die Vorlage eines Rettungsplans eine Frist bis Ende dieses Jahres gegeben.
Politik schreckt vor Grundsatzentscheidungen zurück
Im Wahlkampf vor wenigen Wochen hatten Regierung und Opposition sehr viel Geld für den Schutz des Riffs versprochen. Mit Rücksicht auf die mächtige Bergbaubranche schrecken aber sowohl die konservative Regierungskoalition in Canberra als auch die von der Labor-Partei gestellte Landesregierung in Queenslands Hauptstadt Brisbane vor harten Grundsatzentscheidungen zurück. Die Bergbau-Unternehmen wollen die reichen Kohlevorkommen von Queensland ausbeuten und planen zum Abtransport des schwarzen Golds Megahäfen am Riff.
"Keine der großen Parteien unterstützt ein Moratorium auf Kohleminen, wie es führende Klimawissenschaftler im vergangenen Jahr als Voraussetzung für einen Stopp der globalen Erwärmung gefordert haben", fasste der Sender ABC in seiner Wahlkampf-Sendung "Vote Compass" die Riffpolitik von Regierung und Opposition zusammen.
Für Wendy Flannery, Mitglied der Barmherzigen Schwestern und Sprecherin der Umweltorganisation Climate Frontlines in Brisbane, ist das Ökodrama ein Sinnbild für den verantwortungslosen Umgang mit der Schöpfung: "Das Riff in all seiner Pracht symbolisiert für mich den kreativen göttlichen Impuls, den die biblischen Autoren in den ersten Kapiteln der Genesis versucht haben zu beschreiben."