Er charakterisiert sich selbst als "gut konservativ" und als "bis in die Knochen" katholisch geprägt. Schon als Kind wollte Georg Bätzing katholischer Priester werden. Doch auch als Limburger Bischof und Vorsitzender der Bischofskonferenz sieht der gebürtige Westerwälder Glauben und Kirche auch mit einem kritischen Blick.
"Der Glaube ist nicht unhinterfragt da, sondern muss einem erst zur Frage werden, um anderen Auskunft geben zu können", sagt Bätzing in einem am Montag erscheinenden Gesprächsband unter dem Titel "Rom ist kein Gegner" in der Edition Herder Korrespondenz (HK). Darin gibt der 63-Jährige HK-Chefredakteur Stefan Orth Auskunft zu seiner Biografie und zu aktuellen kirchlichen Fragen.
Kirche als Heimat - aber mit Fragezeichen
"Ich selbst habe Kirche immer als fördernd erfahren", beschreibt der 1961 im Westerwald geborene Bischof seinen familiären Hintergrund. "Der Glaube meiner Eltern war nie bigott, nie eng, und sie haben immer Fragen gestellt."
Kirche als Heimat - aber mit Fragezeichen: "Es gibt keine Heimat, die ohne Brüche wäre und ohne eine kritische Auseinandersetzung mit ihr auch Heimat bliebe", sagt der 63-Jährige, der seit 2012 Generalvikar im Bistum Trier war und 2016 Bischof im krisengeschüttelten Limburg wurde.
Bätzing wendet sich gegen einen romantisierenden Blick auf die Vergangenheit: "Verbunden mit der Zeit der Volkskirche sind all jene Dinge, die wir heute aufarbeiten müssen: Machtmissbrauch, sexualisierte Gewalt, eine Unfreiheit im Glauben, die entscheidend zum Abbruch der Beichte geführt hat", sagt er. Die Beichte sei von vielen Menschen als Eingriff in die intimsten Lebensbereiche und als Übergriffigkeit empfunden worden.
Vor diesem Hintergrund ist der Missbrauchsskandal aus seiner Sicht ein zentraler, aber nicht der einzige Grund für Reformen. "Was ich zu bewahren suche, ist die besondere sakramentale Struktur der katholischen Kirche", unterstreicht er: Dass Gott den Menschen in Zeichen, in Personen, in Worten, in Handlungen und in Ritualen entgegenkomme.
Nachdenken über ein neues Priesterbild
Der Bischof plädiert für eine Abkehr "von einer sakral überhöhten und stattdessen hin zu einer weniger theologisch aufgeladenen existienziellen Beschreibung des priesterlichen Dienstes". Zudem brauche es transparente Verfahren der Rechenschaftslegung, der Gewaltenteilung und Machtkontrolle für jedes Amt in der Kirche. Zugleich müsse eine funktionale Überfrachtung verhindert werden: "Was Pfarrer alles können müssen, ist letztlich eine Überforderung."
Die "Frauenfrage" bezeichnet der Limburger Bischof als die entscheidende Zukunftsfrage in der katholischen Kirche. Kaum jemand in Deutschland habe noch Verständnis dafür, dass Frauen von Weiheämtern ausgeschlossen würden. "Sagt das etwas über das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Zeit? Oder muss ich annehmen, dass 90 oder gar 95 Prozent des Gottesvolkes in unserem Land dann eben falsch liegen?", fragt er. Es gebe viele gute theologische Argumente für eine Priesterweihe von Frauen.
Der Limburger Bischof zeigt sich überzeugt, dass Reformen kein Allheilmittel sind. Umgekehrt aber werde sich die Krise ohne Reformen verschärfen. Damit die junge Generation an das Evangelium herangeführt werden könne, müsse die Kirche Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und die Akzeptanz von Lebensformen, wie sie heute gelebt werden, klären. Es brauche eine positive Sicht auf Sexualität auch außerhalb der Ehe und eine neue Wertschätzung für homosexuelle Menschen.
Polarisierung - aber keine Spaltung
Bätzing, der seit 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist und sich dort vor allem als Moderator begreift, sieht eine Polarisierung, aber keine Spaltungstendenzen unter seinen Amtsbrüdern. Unterschiedliche Positionen, die theologisch und persönlich gut begründet seien, verdienten hohen Respekt, wenn sie argumentativ eingebracht würden, betont er zum Umgang unter den Bischöfen: "Schwerer tue ich mich mit Mitbrüdern, die gar nichts sagen, aber dagegen sind. Das geht meines Erachtens nicht."
In diesem Zusammenhang beklagt der Konferenzvorsitzende eine Welle an - teils den anderen Bischöfen nicht kommunizierten - Briefen an den Papst oder an andere Stellen im Vatikan: "Es kommen dann Antworten auf Anfragen, die wir gar nicht kennen, die aber für alle gelten sollen. Das führt zu inflationären Zuständen, die die Autorität des Heiligen Vaters nicht gerade stärken."
Mit Blick auf die auch in der Weltkirche auseinanderklaffenden Reformvorstellungen fordert Bätzing, dass die Kirche neu über Einheit, Vielfalt und kulturelle Unterschiede nachdenken müsse. Dass die Erklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre zu Segnungen Homosexueller so viel Tumult und Ablehnung hervorgerufen habe, zeige, wie schwierig Reformen werden könnten. "Ich hätte nicht vermutet, dass eine römische Erklärung, die eindeutig die Zustimmung des Heiligen Vaters findet, so vehement von Bischofskonferenzen zurückgewiesen wird."
Schwieriges Verhältnis zum Vatikan
In dem Gesprächsband lässt der Limburger Bischof durchblicken, dass er mit Papst Franziskus und dem Vatikan durchaus seine Mühe hat: «Rom ist kein Gegner. Rom ist mehr wie Familie, in der es natürlich auch immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt», betont er. Papst Franziskus tue sich schwer mit der Kirche in Deutschland, so Bätzings Einschätzung. Er führt das unter anderem auf Fremdheitsgefühle zurück, die Jorge Mario Bergoglio während eines kurzen Studienaufenthaltes in Deutschland gehabt habe. Zur Realität gehöre allerdings auch, dass viele andere dem Papst ein Bild der Kirche in Deutschland zeichneten, das mit Bätzings eigenen Erleben nicht übereinstimme.
Mit Blick auf das Ziel von Papst Franziskus, die Synodalität in der Kirche zu fördern, sieht der Limburger Bischof sein Bistum als Vorbild. Dabei ist für ihn klar: Synodalität darf nicht bei einem rein spirituellen Verständnis stehenbleiben. "Synodalität braucht Strukturen." Notwendig seien klar geregelte Verfahren, die auch rechtlich verbrieft sind.