Bischof Feige kritisiert Reaktionen auf Wahlergebnisse im Osten

"Man sollte im Westen schon vorsichtiger sein"

Die AfD hat bei der Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt 37 Prozent der Stimmen erhalten. Trotzdem sieht der Magdeburger Bischof Gerhard Feige die aktuelle Situation nicht als ein ostdeutsches, sondern als ein gesamtdeutsches Problem.

Hinweisschild zu einem Wahllokal / © Hans Klaus Techt (dpa)

DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie die Situation im Augenblick für Ihre Region im Osten Deutschlands ein? 

Gerhard Feige, Bischof von Magdeburg, am 12.03.2025 in Kall, Eifel im Kloster Steinfeld bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. / © Nicolas Ottersbach (DR)
Gerhard Feige, Bischof von Magdeburg, am 12.03.2025 in Kall, Eifel im Kloster Steinfeld bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Bischof Dr. Gerhard Feige (Bischof im Bistum Magdeburg): Ich sehe das als eine sehr schwierige Situation an und ich weiß nicht, wie im nächsten Jahr die Landtagswahlen ausgehen. Wie kann in diesen Verhältnissen eine Regierung zusammenkommen? Ich bin da sehr besorgt, wie das ausgehen wird. 

DOMRADIO.DE: Nun heißt es immer wieder, diese große Menge an AfD-Wählern sei ein Problem des Ostens, der ehemaligen DDR. Das sehen Sie aber anders, oder? 

Feige: In der Tat. Als damals im Osten 20 Prozent AfD gewählt haben, kam ein großer Aufschrei. Jetzt haben insgesamt in Deutschland 20 Prozent AfD gewählt und die Reaktionen sind nicht so dramatisch. 

Man verweist hauptsächlich auf den Osten: der blaue Osten, der schwarze Westen. Ich sehe das aber differenzierter. 20 Prozent haben die AfD gewählt. Wenn man das quantitativ sieht, gibt es im Osten weniger Bevölkerung als im Westen, dann waren es 70 Prozent Westdeutsche gewesen und 30 Prozent Ostdeutsche, die sie gewählt haben. 

Dann müsste man auch mal differenzieren, in welchen Altersschichten das geschieht. Je älter die Leute sind, umso weniger haben sie AfD gewählt; jedenfalls bei uns. 

Bischof Gerhard Feige

"Denn es ist ein gesamtdeutsches Problem, und man sollte da im Westen schon vorsichtiger in der Beurteilung des Ostens sein."

Gerade die jungen Menschen haben hauptsächlich entweder rechts oder links gewählt. Das sollte schon zum Nachdenken reichen. Denn es ist ein gesamtdeutsches Problem, und man sollte da im Westen schon vorsichtiger in der Beurteilung des Ostens sein. 

DOMRADIO.DE: Die AfD sieht sich selbst als nationalkonservativ, als rechte Partei. Wie steht sie denn zu den Kirchen? 

Feige: Aus meiner Sicht verhält sie sich regional verschieden. In einigen Regionen verhält sich die AfD wohl bürgerlich-christlich, in unserer Region weitgehend antikirchlich und extrem bis extremistisch. Das erleben wir ganz deutlich. Hinter unserer Erklärung, dass völkischer Nationalismus und Christentum unvereinbar sind, stehe ich voll und ganz. 

DOMRADIO.DE: Es kommt auch schon mal vor, dass die AfD zum Kirchenaustritt aufruft? 

Bischof Gerhard Feige

"Ein Vertreter der AfD hat uns als Kirchen als zweite Grüne Partei bezeichnet."

Feige: Jawohl, das ist bei uns geschehen. In polemischer Weise zieht man über uns her. Zum Beispiel hat uns ein Vertreter der AfD als Kirchen als zweite Grüne Partei bezeichnet. Wir sollten unsere Christusbilder durch Stalinbilder mit Regenbogenfahne ersetzen. Wenn so argumentiert wird, ist da keine sachliche Auseinandersetzung möglich. 

DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie damit um, wenn keine sachliche Auseinandersetzung möglich ist? 

Feige: Bis jetzt halten wir Distanz und können es uns schwer vorstellen, miteinander ins Gespräch zu kommen. 

DOMRADIO.DE: Unsere Demokratie ist durch die extremen Parteien gefährdet. Sie haben im Osten die DDR-Vergangenheit erlebt. Kann man da gewisse Parallelen ziehen? 

Feige: Ja. Ich überlege, welche Verhältnisse auf mich zukommen. Ich habe mich an DDR-Verhältnisse erinnert und hoffe, dass es nicht dazu kommt, dass ähnliche Verhältnisse, autoritäre Verhältnisse wieder entstehen, wo wir gewissermaßen in die Emigration gehen und Distanz zu den Parteien und zum Staat insgesamt halten. Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt. 

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Bischof Feige kritisiert Reaktionen auf Wahlergebnisse im Osten

DOMRADIO.DE: Was kann Kirche tun, um die Zivilgesellschaft zu stärken? 

Feige: Das ist sehr schwierig, weil wir eine Minderheit sind. Das heißt, beide Kirchen sind eine Minderheit. Wir können uns äußern. Wir können nicht nur Worte formulieren, sondern uns auch bei den gesellschaftlichen Problemen engagieren. Aber wie weit das in die Gesellschaft hineinwirkt, kann ich nicht sagen. 

DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich für die Wahl im kommenden Sommer für Sachsen-Anhalt? 

Feige: Ich erhoffe mir, dass möglichst viele erkennen, dass es um unsere Zukunft geht, dass es um die freiheitliche Demokratie geht. Das ist kein Gut, das man leichtfertig aufs Spiel setzen sollte, auch wenn man manche vielleicht autoritäre Lösung erwartet. Ich hoffe, dass die Lösungen anders zustande kommen.

DOMRADIO.DE: Die Bischofskonferenz hat sich klar geäußert, was die AfD betrifft. Viele sagen, das dürfe man nicht machen, man dürfe keine politischen Aussagen treffen. Was sagen Sie dazu? 

Bischof Gerhard Feige

"Das Evangelium ist nicht unpolitisch. Es betrifft nicht nur das Herzens Kämmerlein, sondern unser gesamtes Leben und Zusammenleben und Überleben."

Feige: Das Evangelium ist nicht unpolitisch. Es betrifft nicht nur des Herzens Kämmerlein, sondern unser gesamtes Leben und Zusammenleben und Überleben. Darum meine ich, dass wir uns durchaus äußern sollten. Nicht unbedingt zur Tagespolitik oder zu konkreten Lösungen, sondern dann, wenn es um die Menschenwürde geht, wenn es um die Menschenrechte geht und das Gemeinwohl. Das hat sehr wohl etwas mit dem Evangelium zu tun.

Das Interview führte Johannes Schroeer. 

Gerhard Feige

Gerhard Feige wurde 1951 in Halle geboren und machte sein Abitur in der Saale-Stadt. Er studierte Theologie in Erfurt . Nach seiner Priesterweihe 1978 in Magdeburg war er Seelsorger in Salzwedel und Magdeburg.

1982 wurde er als wissenschaftlicher Assistent nach Erfurt berufen, zum Philosophisch-Theologischen Studium. Er promovierte in Theologie 1988, es folgte ein einjähriger Studienaufenthalt in Rom.

Bischof Gerhard Feige
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Quelle:
DR

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