"Ich selbst hätte in einigen Situationen anders handeln müssen", sagte Genn am Freitag vor Journalisten in Münster. Zugleich wies der 72-Jährige darauf hin, dass er sexuellen Missbrauch weder vertuscht noch die Interessen der Institution über die Sorge um die Betroffenen gestellt habe. Daher wolle er nicht zurücktreten und seine verbleibende Amtszeit dazu nutzen, Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch zu ergreifen.
Nach den Worten von Genn haben aber seine verstorbenen Amtsvorgänger Reinhard Lettmann, Heinrich Tenhumberg und Michael Keller im Umgang mit sexuellem Missbrauch "schwere Fehler" gemacht. "Sie ließen sich von einer Haltung leiten, die den Schutz der Institution im Blick hatte, nicht aber die Betroffenen." Mit den Missbrauchsbetroffenen solle abgesprochen werden, wie dieser Bischöfe und anderer verstorbener Amtsträger gedacht werden solle. Solange werde die seit Montag gesperrte Bischofsgruft im Münsteraner Dom geschlossen bleiben.
Nicht hart genug durchgegriffen
Auch der frühere Münsteraner Generalvikar und inzwischen emeritierte Hamburger Erzbischof Werner Thissen (83) sieht persönliche Fehler im Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt, so Genn. Er sei mit ihm über seinen Titel Ehrendomkapitular von Münster im Gespräch. Zudem komme Genn der Bitte des Ruhestandsgeistlichen Theodor Buckstegen nach, ihn als Domkapitular zu entpflichten. Buckstegen war von 1986 bis 2009 Personalchef des Bistums.
Genn nannt es einen Fehler, in seiner Anfangszeit in Münster gegenüber Beschuldigten nicht hart genug durchgegriffen zu haben. "Ich fühlte mich da in der Rolle zwischen Seelsorger und Richter." Auch habe er Pfarreien nur unzureichend über bei ihnen eingesetzte Missbrauchstäter informiert. Zudem habe er sich als früherer Essener Bischof im Fall des nach München versetzten mehrfachen Missbrauchstäters H. zu sehr auf das dortige Erzbistum verlassen.
Breites Maßnahmenpaket
Genn kündigte ein breites Maßnahmenpaket gegen Missbrauch und Machtmissbrauch an. So lässt er prüfen, ob sein Bistum vorübergehend eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit einführt, bis es hierzu Festlegungen aus Rom und von der Bischofskonferenz gibt. Kirchliche Verwaltungsgerichte könnten gerade bei Missbrauchsfällen kirchliche Verwaltungsakte rechtlich überprüfbar machen, sagte der Bischof.
Zudem wolle er Macht abgeben, sagte Genn. "Obwohl kirchenrechtlich die Letztverantwortung in vielen Fragen beim Bischof bleiben wird, bin ich bereit, mich im Rahmen einer Selbstverpflichtung an die Entscheidungen diözesaner Gremien zu binden.". Personalentscheidungen würden künftig "nachvollziehbarer und partizipativer getroffen". Die Personalkonferenz werde "geschlechtergerecht" aufgestellt, um "männerbündischen Strukturen" entgegenzuwirken.
Weiter kündigte Genn eine schärfere Kontrolle von Tätern und Beschuldigten an. Dass diese ihre Auflagen einhalten, werde ab kommendem Jahr eigens ein Mitarbeiter überprüfen.
Aufarbeitungskommission in Planung
Der Bischof gab auch die Namen der Mitglieder einer künftigen Aufarbeitungskommission bekannt, zu der auch der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller gehört. Derartige Kommissionen hatte der frühere Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, mit der Kirche vereinbart.
Forschende der Universität Münster hatten am Montag eine Aufarbeitungsstudie für die Diözese vorgelegt. Die Untersuchung zählt 196 Beschuldigte zwischen 1945 und 2020 sowie 610 Betroffene. Die Wissenschaftler werfen den Vorgängern Genns vor, für eine "klerikale Vertuschungsgeschichte" verantwortlich zu sein.