Im Gespräch mit dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk "Kirche in Not" erklärte Carlassare: "Was mir geschehen ist, interpretiere ich als ein Zeichen, um wieder aufzustehen und den Menschen zu zeigen, dass auch sie wieder aufstehen können – trotz der Wunden, die sie erleiden, trotz der vielen Waffen im Land, trotz der vielen von Milizen besetzten Gebiete."
Der 44-jährige italienischstämmige Comboni-Missionar wurde am 25. März 2022 zum Bischof von Rumbek geweiht. Eigentlich sollte die Feier bereits ein knappes Jahr vorher stattfinden. Doch in der Nacht vom 25. auf den 26. April 2021 war auf den ernannten Bischof ein Anschlag verübt worden.
Jahrelange Auseinandersetzungen um Bischofsamt
"Es standen zwei junge Männer vor mir. Ich hatte keine Möglichkeit zu fliehen", berichtete Bischof Carlassare. "Sie haben auf mich geschossen; aber Gott sei Dank lenkte der Herr die Kugeln so, dass sie mich nicht allzu sehr verletzten. Sie trafen meine Beine, aber keine lebenswichtigen Organe."
Der Anschlag zielte mutmaßlich darauf, den jungen Bischof einzuschüchtern und zu vertreiben. Auslöser dürfte ein jahrzehntelanger Streit um das Bischofsamt in Rumbek gewesen sein, wie "Vatican News" unter Berufung auf katholische Nachrichtenportale aus Afrika mitteilte. 24 Personen seien festgenommen wurden, darunter auch mehrere Priester und Mitarbeiter des Bistums.
Ein Jahr danach sieht Bischof Carlassare das Attentat sogar "als Moment der Gnade, denn er gibt mir die Demut, mit den Wunden des Volkes eins zu werden." Er habe sich bis zu dem Anschlag im Südsudan nie in Gefahr gewähnt und tue es auch jetzt nicht.
"Es gibt noch viel zu tun"
Sein Schicksal sei ein Zeichen für die allgegenwärtige Gewalt im Land. Viele Menschen griffen zu den Waffen, auch wenn sich das nicht mit dem christlichen Glauben vereinbaren lasse, stellte der Bischof fest. Auch wenn über die Hälfte der Einwohner des Südsudans dem Christentum angehöre, sei der Glaube "in vielen Fällen Fassade und muss noch Wurzeln schlagen. Es gibt noch so viel zu tun."
Der Südsudan habe zwar seine Unabhängigkeit vom Sudan erklärt, sei aber wirtschaftlich, politisch und verwaltungstechnisch nach wie vor eng mit dem Norden verbunden. Das jüngste Land der Erde leide unter "Vernachlässigung, Trennung und Grenzschließungen", sagte der Bischof. So sei es unmöglich die Handelswege zwischen Nord und Süd zu nutzen. „Das ist eine Strafe für das Land.“ Die Staatsstreiche und Massenproteste im Sudan Ende 2021 hätten die Lage noch verschlimmert. Der Südsudan bemühe sich um Vermittlung, so Bischof Carlassare.
Gealtertes Europa – junges Afrika
Trotz aller Schwierigkeiten müsse die westliche Gesellschaft ihr negatives Bild über Afrika korrigieren. "Ich möchte die internationale Gemeinschaft auffordern, Afrika mit offenem Herzen und offenem Geist zu betrachten." Es gebe viele Menschen, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen, ebenso wie "Regierungen, die gesund sind und sich um ihre Bürger kümmern oder eine Wirtschaft, die besser funktionieren kann". Das gelte es zu unterstützen und zu fördern, sagte der Bischof. "Lasst uns in Liebe zu Afrika geeint bleiben, das große Gaben für die Welt bereithält: auch für Europa, das ein wenig gealtert ist und diese Jugend und dieses Leben braucht, das aus Afrika kommt."
Der Südsudan war im Jahr 2011 nach jahrzehntelagen blutigen Auseinandersetzungen per Volksentscheid unabhängig geworden. Viele Bewohner erhofften sich dadurch eine stärkere Beachtung ihrer religiösen und ethnischen Rechte: Die Mehrheit der Bewohner des Südsudan sind Christen, während im Sudan die Muslime überwiegen. Die Hoffnungen auf eine friedliche Entwicklung erfüllten sich nicht. Die humanitäre Lage im Südsudan ist alarmierend, nach wie vor sind Millionen Menschen auf der Flucht oder wurden vertrieben.