Bischof Koch über das Gedenken an die Völkerschlacht und den Leipziger Katholikentag

Die Friedensfrage damals wie heute

Mit einem katholischen Friedensgottesdienst in der evangelischen Nikolaikirche endete das Gedenken an die Völkerschlacht in Leipzig. Zelebrant war Bischof Heiner Koch. Im Interview blickt er auch auf den Katholikentag 2016.

Bischof Heiner Koch während einer Predigt in Dresden (epd)
Bischof Heiner Koch während einer Predigt in Dresden / ( epd )

domradio.de: Eine ganze Festwoche ist der Völkerschlacht vor 200 Jahren gewidmet. Ein Höhepunkt ist der Friedensgottesdienst in Leipzig mit Ihnen. Warum ist es der Kirche so wichtig, zu so einem Anlass präsent zu sein?

Bischof Koch: Im Mittelpunkt der Veranstaltung war wahrscheinlich der Staatsakt im Völkerschlachtsdenkmal, das genau vor 100 Jahren errichtet wurde und jetzt neu renoviert der Bevölkerung übergeben wurde. Das war dann vielleicht der Höhepunkt. Wir hatten sehr bewusst aber am Donnerstag schon einen Kirchentag gesetzt und mit dem Gottesdienst werde ich noch einmal einen Abschluss setzen. Es geht uns hier um eine Botschaft mitten in diese auch umstrittene Weise des Gedenkens an die Völkerschlacht.

Es geht darum, dass wir nicht aus den Augen verlieren, dass es hier um Menschen geht. Es sind 100.000 Menschen furchtbar krepiert, es geht um die Fragen nach den Individuen, nach der Größe und Würde des Menschen, der nicht nur einfach Kanonenfutter ist. Es geht um die Frage des Friedens damals und es geht um die Frage des Friedens heute. Es geht um die Frage, wie wir miteinander umgehen, wie wir auch gemeinsam Europa gestalten und ich denke, dass all dies, wie das Gedenken an die Verstorbenen, wie auch die Konsequenzen für unsere heutige Gesellschaft Themen sind, bei denen sich keine gesellschaftliche Gruppe, erst recht nicht die Kirche mit ihrem Glaubens- und Hoffnungspotenzial, zurückziehen darf.

Wir haben gerade in dieser Gesellschaft, in der 80 Prozent der Menschen ungetauft sind, gerade in dieser doch beklemmenden Erinnerung, die man auch nicht durch schauspielerische Effekte übertünchen kann, etwas zu sagen über Leben und Tod, über die Dramatik des Lebens und über Gott, der dann in den Menschen auch gestorben ist und auf dem Schlachtfeld auch krepierte. Das ist ein Hoffnungspotenzial und auch ein Zulassen von Schmerz und Leid und natürlich das Anliegen des Friedens, das ein Grundanliegen des christlichen Glaubens natürlich ist.

domradio.de: Sind es dann solche Worte, die im Zentrum der Predigt des Gottesdienstes stehen oder wie feiert man einen solchen Anlass?

Bischof Koch: Wir haben ja schon einen ökumenischen Gottesdienst gehabt, ich werde - auch ein großartiges Zeichen - auf Einladung in der Nicolaikirche, das ist die evangelische Hauptkirche in Leipzig, ein Pontifikalamt feiern, also einen katholischen Gottesdienst feiern. Ich finde, das ist ein großes Zeichen. Ich werde das Thema tatsächlich des einzelnen Menschen und seiner Individualität, seiner Würde, seiner Größe, die bei uns als Christen auch seinen Ausdruck findet, dass jeder von uns in der Taufe gesalbt wurde, ein König ist und nicht Kanonenfutter. Dass es Konsequenzen hat für unser heutiges Verständnis mit den Menschen: Lebe ich würdevoll und groß, respektiere ich die Größe und Würde des anderen Menschen? Wie gehen wir in dieser Gesellschaft mit der Größe und Würde des Menschen um? Bis hin zu Fragen, die natürlich sich anschließen nach dem Beginn und Ende des Lebens. Also ich werde nach all den großen Zahlen, die in diesen Tagen immer wieder hier diskutiert werden, den Akzent auf den einzelnen Menschen richten.

domradio.de: Sie sind Bischof von Dresden-Meißen. Da können wir Sie nicht aus dem Gespräch entlassen ohne abschließend nach dem Katholikentag zu fragen. Vor wenigen Tagen ist bekannt geworden, der Katholikentag 2016 wird in Leipzig sein. Was bedeutet das?

Bischof Koch: Konkret ist es so, dass ich schon wenige Wochen nach der Amtsübernahme gebeten wurde, den Katholikentag 2016 in Dresden oder Leipzig zu begehen. Wir haben uns dann für Leipzig entschlossen. Ich bin gebeten worden, weil dieser Katholikentag ein besonderer ist: Es ist der 100. Katholikentag. Das Zentralkomitee wie auch viele Bischöfe haben gesagt, es ist wichtig, dass wir den 100. Katholikentag nicht in München, Köln oder Mainz oder einer ähnlichen "katholischen Stadt" feiern, sondern in einer ganz anderen Herausforderung, in einer ganz anderen Situation. Wir sind hier vier Prozent der Bevölkerung, die katholisch sind, allerdings in einer Gesellschaft, die uns gegenüber sehr offen ist. In einer Gesellschaft mit deutlich wachsenden Katholiken. Die Stadt Leipzig hat im letzten Jahr 1200 neue Katholiken gefunden mit Zuzug und Erwachsenentaufen. Da sind enorme Aufbrüche da. Wir bauen eine ganz neue Kirche mitten im Zentrum vor dem Rathaus, die erste katholische Kirche nach dem Krieg, die jetzt ins Zentrum kommt. Der Oberbürgermeister hat gesagt: Die Katholiken kommen in die Stadt. Und in dieser Stadt des Lernens, auch des Sprechens mit Ungetauften, mit Konfessionslosen, mit einer Fremdheit gegenüber der christlichen Botschaft, die ist seit Generationen manchen Menschen unbekannt, was es heißt Christ zu sein, was eigentlich der Kern des Glaubens ist. Sie wissen mehr von der Kirche, also vom äußeren Erscheinungsbild als vom Glauben. Da ist das die Herausforderung, einen sehr dialogischen Katholikentag zu gestalten, der sehr dialogisch ist mit den Menschen, die nicht glauben, die den Glauben nicht kennen. Aber natürlich hier auch ein Jahr vor dem Gedenken an die Reformation 2017 mit den Evangelischen zusammen diesen Katholikentag zu gestalten. Und wir sind in der Mitte Europas, wir haben große tschechische und polnische Grenzen. Die Bistümer am Rande wollen diesen Katholikentag mitprägen. Das wird ein ganz spannendes Unternehmen.

Das Interview führte Daniel Hauser


Blick über das Zentrum von Leipzig (dpa)
Blick über das Zentrum von Leipzig / ( dpa )
Quelle:
DR