Bischof Koch versichert Jüdinnen und Juden Solidarität

"Wir sind untrennbar"

Am Freitag muss wieder mit antisemitischen Äußerungen auf Anti-Israel-Demonstrationen gerechnet werden. Der Bischof von Dresden-Meißen, Heiner Koch, versichert der jüdischen Gemeinde in Deutschland die Solidarität der Katholiken.

Bischof Heiner Koch (dpa)
Bischof Heiner Koch / ( dpa )

domradio.de: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie im Fernsehen Bilder solcher antijüdischer Hass-Aktionen sehen?

Bischof Koch: Man fühlt sich zurückversetzt in eine Zeit, die eigentlich Geschichte ist, und von der ich merke, dass sie doch die Gegenwart berührt. Ich finde es verständlich, wenn Menschen an der Politik und am Vorgehen Israels Kritik üben, das ist nicht für mich die Frage. Aber es zeigt sich wieder, dass eine gut gemeinte Kritik an einem mit uns befreundeten Staat völlig missbraucht wird von Einzelnen und kleinen Gruppen, die natürlich dann auch Stimmung machen. Und plötzlich kommen dann Dinge auf den Tisch, die menschenverachtend sind und die gerade für uns in Deutschland unakzeptabel bis zum Letzten sind. Weil sie so viel Elend von Deutschland aus über so viele Menschen gebracht haben. Das gilt grundsätzlich für den Umgang mit Menschen. So kann ich Menschen überhaupt nicht behandeln, geschweige den charakterisieren. Und erst recht nicht Menschen eines Staates, bei dem wir so sehr in der Schuld stehen. Hinzu kommt, dass wir natürlich mit unseren jüdischen Schwestern und Brüdern als Christen eng verbunden sind. Wir sind untrennbar. Wenn der eine so angegangen wird, müssen wir als Mitglaubende reagieren.

domradio.de: Was würden Sie denjenigen gerne sagen, die da ganz bewusst gegen Menschen jüdischen Glaubens hetzen?

Bischof Koch: Wir tragen das nicht mit. Was die da tun, ist ihnen wohl zum Teil gar nicht bewusst. Es ist gedankenlos. Da gibt es einige, die ganz gewalttätig im Herzen sind und andere schwimmen da mit und meinen, das wäre eine nicht so ernst gemeinte Oberflächlichkeit. Der Antisemitismus kommt ja heute nicht mehr mit brauner Uniform und Stiefeln daher, die Zeiten sind vorbei. Er kommt subtil mitten in die Gesellschaft hinein, und das ist das eigentlich so Gefährliche, er taucht auf nicht in kleinen Gruppen, die militant über Straßen und Plätze ziehen, sondern er ist plötzlich in den Einrichtungen und Institutionen und auch in den Schulen. Plötzlich ist er da, und dann kann so etwas brandgefährlich werden.

domradio.de: Wie kann diesen Anfängen ein Riegel vorgeschoben werden?

Bischof Koch: Wir alle, die wir solche Dinge bewusst nicht teilen und die wir in unserer geschichtlichen und gegenwärtigen Verantwortung stehen, erst recht als Christen, müssen unsere Stimme erheben. Man kann das nicht anderen überlassen. Wir müssen das den Tätern gegenüber demonstrieren aber auch gegenüber den jüdischen Mitbürgern. Wir haben hier in Dresden ein sehr gutes Verhältnis zur jüdischen Gemeinde, und ich fühle mich dieser Gemeinde gegenüber auch in die Pflicht genommen, das hier so zu sagen. Damit ganz klar unsere Solidarität und Verbundenheit ausgedrückt wird. Wer so gegen jüdische Mitbürger angeht, der geht auch gegen uns als Christen an. Helfen wird sicherlich auf Dauer nur, diese Tendenzen immer wieder aufzuzeigen und eine vernünftige Bildungsarbeit zu garantieren. Natürlich muss man leider auch sehen, dass sich da manchmal junge Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen, die keine Arbeit haben, die außerhalb der Ordnung am Rande stehen, verirren. Letztlich wird nur eine gute gesellschaftliche und wirtschaftliche Integration helfen, dass solche Menschen nicht in solche Randgruppen abdriften, die für uns alle gefährlich sind.

domradio.de: Welche Formen kann diese Solidarität und Hilfe konkret annehmen?

Bischof Koch: Mir war wichtig, dass ich Kontakt aufgenommen habe und die Solidarität zum Ausdruck gebracht habe. Zu zeigen, dass wir so etwas als Christen und Katholiken sehr bewusst so nicht mittragen, dass wir zueinander stehen und mit angegriffen fühlen. Das war das Wichtigste, was ich tun konnte. Die übrigen Maßnahmen und Überlegungen, die wir hier in Sachsen gemeinsam mit vielen politischen und gesellschaftlichen Kräften anstellen, sind mittelfristig und langfristig. Da können kurzfristige Appelle nicht plötzlich alles auf den Kopf stellen. Wir müssen bewusst machen, gute Bildungsarbeit leisten und den jungen Menschen, die da mitgerissen werden, in wirtschaftlich und familiär stabile Verhältnisse bringen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR