Bischof Koch wird Renovabis-Pfingstaktion in Dresden eröffnen

"Hier schlägt das Herz Europas"

Am 18. Mai eröffnet Bischof Heiner Koch die Pfingstaktion des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis. "Mit meinem Gott überspringe ich Mauern" lautet das diesjährige Leitwort, 25 Jahre nach dem Mauerfall. Der Dresdner Bischof im Interview mit domradio.de.

Die Dresdner Hofkirche / © Alexander Foxius (DR)
Die Dresdner Hofkirche / © Alexander Foxius ( DR )

domradio.de: Sie sind Rheinländer. Sie waren vorher Weihbischof in Köln. Sind Sie als solcher schon mit Renovabis konfrontiert worden?

Koch: Ja, das bin ich natürlich, schon vor meiner Tätigkeit als Weihbischof, schon als Seelsorgeamtsleiter, weil Renovabis eine große Aktion der deutschen Kirche ist, die gerade zu Pfingsten alle Gemeinden betrifft, nicht nur, dass dort die Kollekte abgehalten wird für Renovabis, sondern auch eine besondere Gebetsgemeinschaft an diesen Tagen ist. Als Seelsorgeamtsleiter hab ich damals natürlich dafür gesorgt, dass dieses Anliegen verbreitet wird. Eng verbunden sind wir seit dem Weltjugendtag. Wir haben damals als Weltjugendtag-Stadt das damalige Renovabis-Heft besonders mitgestaltet und wir haben viele Jugendliche als Dauer-Mitvorbereiter in Köln gehabt, die über Renovabis aus osteuropäischen Ländern zu uns gekommen sind.

domradio.de: Jetzt übernehmen Sie mit Ihrer neuen Funktion das Amt des bisherigen Renovabis-Bischofs, und zwar vom emeritierten Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner. Können Sie sagen, was Sie von ihm übernehmen oder was machen Sie anders?

Koch: Zunächst habe ich meine Antrittsbesuche dort gemacht, und wir versuchen im Moment sehr stark, einfach die laufende und jetzt aktuelle Renovabis-Aktion zu gestalten. Weitere Pläne stehen erst an, wenn wir eine Zeit lang zusammen marschiert sind. Ich denke aber, das weiß ich aus vielen Gesprächen mit Kardinal Meisner, auch noch in seiner Amtszeit, dass das Ganze wirklich so gut aufgestellt ist, dass es wahrscheinlich andere Akzente geben wird, aber nichts grundlegend Neues geschaffen wird. Die Veränderungen, die anstehen, liegen natürlich in der Situation der Menschen, der Völker und der Kirchen in Osteuropa. Ich brauch nur ein Wort zu sagen, unsere Unterstützung für die Ukraine, und wie es dort mit der Kirche und dem Kirchenleben weitergeht, ist ja mehr als unklar.

domradio.de: Wie können Sie denn als Bischof "awareness", also Bewusstsein schaffen, damit die Menschen auch mit Renovabis in Berührung kommen, denn es ist ja immerhin, im Vergleich zu anderen Hilfswerken, noch recht unbekannt.

Koch: Die Aktion ist 25 Jahre alt. Da war schlicht und ergreifend damals die Wende, der Zusammenbruch des kommunistischen Systems in vielen Ländern Europas, der Anlass, dieses Hilfswerk zu gründen. Zweitens, für eine junge Hilfsorganisation ist es, glaube ich, schon erstaunlich, wie weit es schon im Bewusstsein Vieler ist. Da sind wir hier im Osten viel geprägter als im Westen. Denn wir leben mit vielen Nachbarn, Nachbardiözesen, die aus Osteuropa kommen bzw. Osteuropa zugeschlagen werden, auch wenn sie eigentlich mehr Mitteleuropa sind. Wir haben in Dresden zum Beispiel Leitmeritz, Liegnitz und Pilsen, ein polnisches und zwei tschechische Nachbarbistümer. Hier sind lebendige Kontakte. Von  daher ist es natürlich auch ein lebendiger Austausch.

domradio.de: Nun starte die Pfingstaktion in wenigen Tagen, nämlich am 18. Mai bei Ihnen im Bistum, in Dresden ganz genau. Welche Bedeutung hat denn dieser Standort Dresden für diese Aktion und besonders für dieses Leitwort "Mit meinem Gott überspringe ich Mauern"?

Koch: Das Leitwort ist sehr bewusst gewählt worden, auch in Erinnerung, in Anklang an die friedliche Revolution vor 25 Jahren mit dem Zusammenbruch des Mauersystems und dem Abbau der Mauer zwischen den deutschen Ländern. Von daher ist die Erinnerung an die damaligen Verknüpfungen, die damalige Unfreiheit, die damalige Belastung, aber auch die Erinnerung an die damals erfahrene Hilfe oder seitdem erfahrene Hilfe ganz, ganz lebendig. Aber aus dieser Zeit stammt auch die enge Verbindung mit den Nachbarländern, in die ja zumindest eine gewisse Reisefreiheit bestand. Das ist eine eigene Betroffenheit, auch der Solidarität, die hier gegeben ist. Für uns steht natürlich auch an, dass wir jetzt, 25 Jahre später, sagen, das ist für uns nicht Geschichte, sondern das ist lebendige Gegenwart. Und die Verbindung mit den anderen Ländern werden wir hier wachhalten und lebendig halten. Denn eigentlich sind wir hier, mit diesen Nachbarländern, nicht im Osten Europas, sondern in der Mitte Europas. Ich glaube, dass das in ganz Deutschland auch wahrzunehmen ist: Hier schlägt das Herz Europas. Eine Weiterentwicklung Europas wird es, meiner Einschätzung nach, nicht im Westen geben, sondern die Zukunft Europas wird sich in Fragen der Integrierung und der Solidarität und des Austausches mit den osteuropäischen Staaten ergeben.

domradio.de: Sie sind in der Mitte Europas, Sie sind aber auch in der Diaspora. Erkennen Sie denn als Bischof dort, wo Sie jetzt sind, auch eine Wende religiösen Verhaltens nach 25 Jahren?

Koch: Der christliche, vor allem der katholische Glaube ist hier vor dem Mauerfall  massiv behindert worden. Und die, die sich zu dem Glauben bekannt haben, sind mit massiven Nachteilen belegt worden, etwa in der Berufswahl, in der Studienwahl, in der Ausbildungsfreiheit. Das hat die katholische Kirche damals hier belastet, aber es hat sie auch zusammengeschweißt. Die grauen Katholiken, die so ein bisschen katholisch sind, wie man so schön sagt: rheinisch-katholisch, sind hier eigentlich nicht vorhanden. Wer hier noch katholisch ist, der steht dazu und der lässt sich auch durch gewisse kirchliche Streitigkeiten nicht aus der Bahn bringen. Jetzt ist die Situation aber anders. Jetzt sind wir plötzlich hier in Dresden, 150 000 Missionare für 3,1 Millionen Menschen, die keiner Konfession angehören, und das nicht eben seit gestern, sondern seit vielen Generationen, denen das Christentum völlig fremd ist, vom Wissen her, aber vor allem vom Herzen her. Die große Herausforderung, die wir haben, besteht in der Frage, wie berühren wir diese Menschen mit dem Glauben? Ich bin sehr erfreut, dass wir natürlich aus dem Westen und Süden Deutschlands Zuzug haben, vor allem junge Menschen, die hierherkommen, weil hier Dresden und Leipzig aufblühende Städte sind, wirtschaftlich, kulturell, wissenschaftlich. Aber ich bin auch sehr froh, dass wir hier eine deutlich wachsende Zahl von Taufen haben, vor allem junger Menschen. In Dresden sind im letzten Jahr tausend neue Katholiken zu uns gestoßen, in Leipzig 1200 neue Katholiken. Und die größte Altersgruppe in Dresden und Leipzig unter den Katholiken sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. Das ist eine ganz andere Situation als im Westen. Wir sind eine kleine Minderheit, aber eine Minderheit, die in der Gesellschaft wahrgenommen wird und die jetzt, in der ersten Phase, die Menschen um uns herum, die nie mit der Gottesfrage konfrontiert waren und sich nie damit auseinandergesetzt haben, verunsichert: Vielleicht gibt es doch einen Gott? Und der ich nicht an Gott glaube, glaube ja etwas. Das ist ein ganz spannender Prozess. Auf jeden Fall kann ich sagen, wir und ich als Bischof werden hier sehr, sehr offen aufgenommen.

Das Gespräch führte Bernd Knopp.


Bischof Heiner Koch im Portrait (dpa)
Bischof Heiner Koch im Portrait / ( dpa )

Die Renovabis-Pfingstaktion 2014 (KNA)
Die Renovabis-Pfingstaktion 2014 / ( KNA )
Quelle:
DR