Der Mainzer katholische Bischof Peter Kohlgraf warnt mit Blick auf den Krieg in der Ukraine vor einer "reinen Fixierung auf Waffenlieferungen". Der "Frankfurter Rundschau" (Samstag) sagte Kohlgraf, der auch Präsident der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi" ist: "Andere Perspektiven von Friedenslösungen werden schon gar nicht mehr in den Blick genommen. Da stellt sich dann die Frage, was naiv ist. Das reine Setzen auf Waffen kann auch naiv sein, wenn andere Perspektiven überhaupt nicht mehr im Blick sind."
"Realitätstüchtig, verantwortungsvoll und friedensfähig"
In diesem Zusammenhang wandte sich der Bischof gegen den von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verwendeten Begriff der "Kriegstüchtigkeit". Damit sei für ihn eine Grenze erreicht. "Wir sollten realitätstüchtig sein, verantwortungsvoll und friedensfähig", sagte Kohlgraf. Zugleich müsse man sich mit der Frage eines drohenden Krieges befassen.
Kohlgraf räumte ein, dass aussichtsreiche Verhandlungen mit Russland derzeit kaum zu erreichen seien. "Für Verhandlungen braucht es Augenhöhe. Es kann aber Kriegsparteien geben, die Verhandlungsangebote eher als Zeichen der Schwäche ansehen. Bei Russland scheint das der Fall zu sein", sagte der Bischof. "Es scheint mir sehr fragwürdig zu sein, ob es zum jetzigen Zeitpunkt möglich ist, Verhandlungen zu führen, die der Ukraine zu ihrem Recht verhelfen. Deswegen stecken wir in einem echten Dilemma."
Andere Strategien gefordert
In diesem Zusammenhang wies Kohlgraf auch die Äußerung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich vom "Einfrieren" des Konflikts zurück. "Ein Einfrieren ist nicht die Lösung, denn es löst rechtlich nichts. Es müssten Friedensperspektiven im Raum sein, über die verhandelt werden kann."
In dem Interview schlug Kohlgraf auch eine Änderung der Strategie des Vatikans vor, dem vorgehalten werde, dass er sich bisher "relativ neutral" verhalten habe. "Er (Papst Franziskus) weiß sehr wohl, dass Russland der Aggressor ist und die Ukraine das angegriffene Land", betonte der Bischof. "Es war die Strategie des Vatikan, sich nicht zu sehr auf die Seite einer Partei zu schlagen, um für beide ein ernstzunehmender Mediator zu bleiben. Vielleicht ist aber der Punkt erreicht, an dem man sagen muss: Das funktioniert nicht mehr und man muss das Unrecht klar benennen."