Bischof Lehmann seit zehn Jahren Kardinal

Ein Pflichtmensch

Er halte nicht viel davon, wenn Kardinäle über das 75. Lebensjahr hinaus im Bischofsamt bleiben, hat er kürzlich gesagt. Andererseits sei er aber ein Pflichtmensch und mache seine Entscheidung "vom Lieben Gott und vom Papst" abhängig. Am 16. Mai wird der Mainzer Kardinal Karl Lehmann 75 Jahre alt. Schon heute kann er den zehnten Jahrestag seiner Ernennung zum Kardinal durch Papst Johannes Paul II. begehen.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Lehmann prägte die katholische Kirche in Deutschland über mehr als zwei Jahrzehnte. Seit 1983 steht er an der Spitze des Bistums Mainz. Von 1987 bis Anfang 2008 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Dieses Amt gab er aus gesundheitlichen Gründen ab. Es sei ihm aber "nur bedingt" gelungen, kürzer zu treten, sagte er jetzt. Selbst die Korrespondenz sei eher mehr geworden, weil sich die Menschen noch vertrauensvoller an ihn wendeten.



Als Vorsitzender der Bischofskonferenz gab er Impulse - in gesellschaftlichen Grundfragen wie im ökumenischen Gespräch. Nach dem Fall der Mauer führte er die Katholiken aus Ost- und Westdeutschland zusammen. Als Theologe, der das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) miterlebte, steht Lehmann für eine dialogbereite und -fähige Kirche.



Kommunikation und Argumentation

Kommunikation und Argumentation seien "für die heutige gesellschaftliche Situation der Kirche unersetzlich", meint der Bischof. Das gilt erst recht seit dem Missbrauchsskandal. Die Kirche dürfe sich nicht wundern, wenn sie mit ihren eigenen Maßstäben gemessen werde, kommentierte er die öffentliche Aufregung. "Wer die strenge katholische Sexualmoral vertritt, auf den kommt sie bei eigenen Verfehlungen wie ein Bumerang zurück. Begleitet von Häme und Schadenfreude."



Für ihn hat der Missbrauchsskandal auch andere kirchliche Reformthemen wieder an die Oberfläche gespült, die zu lange unter dem Deckel gehalten worden seien. Als Beispiel nennt er die Debatte über den Diakonat der Frau oder Fragen der Sexualität und der Empfängnisverhütung. Innerhalb der Bischofskonferenz steht der Mainzer Bischof dafür, solche Streitfragen offen und mutig anzugehen. Zugleich müsse klug abgewogen werden, welche Themen die Kirche in Deutschland nicht allein lösen könne und für die Gespräche mit Rom notwendig seien.



"Ich habe mich nach Kräften bemüht."

Die Zwischenbilanz, die Lehmann 2007 zum "20-Jährigen" als Vorsitzender der Bischofskonferenz zog, bleibt ein gutes Motto für sein Wirken. Immer noch ist er Mitglied in zahlreichen vatikanischen Gremien, unter anderem in der Kongregation für die Bischöfe, im Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen und in der Kongregation für die Ostkirchen.



Oft ist er über seine Kräfte hinausgegangen. Das gilt sicher für jene Konflikte, die er seit der Amtsübernahme 1987 ausgestanden hat. Dazu zählen nicht nur die Kontroversen mit dem Vatikan um die Beteiligung der Kirche am staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung oder um den seelsorgerlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Auch gegenüber der Politik scheute Lehmann keinen Konflikt.



Kernthema Lebensschutz

Ein Kernthema als Vorsitzender war der Lebensschutz. Nach der deutschen Einheit ging es um die Abtreibungsfrage, immer wieder auch um vielfältige Aspekte der Bioethik. Beim Ringen mit Rom galt Lehmann manchem als Wortführer der Kritiker - der war er nie. Immer wieder betonte er seine Loyalität zum Papst. Dafür steht auch die Erhebung zum Kardinal 2001 durch Papst Johannes Paul II.



Lehmann, in Sigmaringen geboren, stammt aus sogenannten einfachen Verhältnissen. Von seinem Elternhaus - der Vater war Volksschullehrer - sagt er, es sei in nüchterner Weise fromm, aber nie bigott gewesen. Lehmann studierte Philosophie und Theologie in Freiburg und in Rom, wo er 1963 zum Priester geweiht wurde. Er war Assistent des renommierten Theologen Karl Rahner, war zunächst in Mainz, dann in Freiburg Theologieprofessor, bevor er 1983 Bischof von Mainz wurde. Mit 47 Jahren war er der damals jüngste katholische Bischof in Deutschland. Und als er 1987 Vorsitzender der Bischofskonferenz wurde, war er der erste Bischof in diesem Amt, der nicht auch Kardinal war.