Bischof Müller äußert sich zum ersten Mal zu Vorwürfen nach Missbrauchsfall

"Schreiender Widerspruch"

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat sich erstmals öffentlich zu den Missbrauchsvorwürfen gegen einen 39-jährigen Geistlichen in seinem Bistum geäußert. Sollten sich diese bestätigen, dann seien sie ein "schreiender Widerspruch zum priesterlichen Dienst", sagte Müller in einem am Sonntag vorab veröffentlichten Interview.

 (DR)

Müller äußerte sich am Rande des Papstbesuchs
Dem inzwischen abgesetzten Pfarradministrator von Riekofen und Schönach wird vorgeworfen, zwischen 2003 und 2006 einen Ministranten missbraucht zu haben. Er war bereits 2000 wegen Kindsmissbrauchs verurteilt worden; die Bewährungszeit betrug drei Jahre. Mehreren Gutachten zufolge galt der Mann mittlerweile als therapiert. Müller äußerte sich am Rande des Papstbesuchs in Mariazell.

Zu Vorwürfen, das Ordinariat habe gegen die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema Misssbrauch verstoßen, sagte Müller in der "Mittelbayerischen Zeitung" und "Passauer Neuen Presse", diese könnten die Diözesen nicht davon entbinden, eigene Entscheidungen zu treffen. In den Leitlinien heißt es: "Nach Verbüßung seiner Strafe werden dem Täter keine Aufgaben mehr übertragen, die ihn in Verbindung mit Kindern und Jugendlichen bringen."

Bei der Beurteilung von Gefährdungen werde man sich auch in Zukunft auf Gutachten verlassen müssen, unterstrich der Bischof. Doch müsse stärker berücksichtigt werden, dass solche Täter möglicherweise "ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit haben". Insofern werde man künftig vorsichtiger sein. Absolute Sicherheit sei aber selbst dann nicht zu gewährleisten, wenn frühere Täter etwa in Altenheimen eingesetzt würden. "Es gibt letztlich keinen völlig kinder- und jugendfreien Raum."

"Tragödie" für die mutmaßlichen Opfer
Der Bischof sprach von einer "Tragödie" für die mutmaßlichen Opfer, aber auch für den beschuldigten Priester, der seit 30. August in Untersuchungshaft sitzt. Dieser sei im Ordinariat mehrfach bei Gesprächen gefragt worden. "Es gab ein zwölfmaliges Befragen, er hat immer nein gesagt." In diesem Zusammenhang meinte der Bischof: "Ich bin kein Psychiater, aber mir stellt es sich so dar, dass der Beschuldigte in zwei völlig voneinander geschiedenen Personen lebt."

Zugleich beklagte Müller, dass der Fall Riekofen von kircheninternen Kritikern gegen ihn selbst benutzt werde. Die Angriffe gegen seine Person seien Teil einer Kampagne, die seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren andauerten. Er beklagte, diese Kritiker agierten "als Trittbrettfahrer ohne Rücksicht auf die Betroffenen".