Bischof Overbeck zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr

"Deutschland trägt Verantwortung"

Eine klare Mehrheit der Deutschen ist gegen ein stärkeres Engagement der Bundeswehr in Krisengebieten. Militärbischof Franz-Josef Overbeck zeigt im domradio-Interview für diese Haltung Verständnis.

 (DR)

domradio.de: Verstehen Sie diese offensichtlich ganz grundsätzlichen Bedenken der Menschen gegen Auslandseinsätze?

Bischof Franz-Josef Overbeck: Die meisten Menschen spüren intuitiv, dass damit große Gefahren verbunden sind, und das verstehe ich natürlich immer. Das bedeutet Gefahr für Leib und Leben der Soldatinnen und Soldaten. Das bedeutet nicht einschätzbare Gefährdungen, die sich dann auch ausweiten auf das alltägliche Leben der Familienangehörigen zuhause. Und es bedeutet einen Einsatz, dessen zeitliche Dimension manche nicht bedenken, beziehungsweise bemessen können. Ich habe als Militärbischof all diese Bedenken und Gedanken auch schon bei den Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan und ihren Familienangehörigen mitbekommen, und von daher verstehe ich das gut.

domradio.de: Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite argumentieren die Verteidigungsministerin und auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Deutschland müsse seiner Bedeutung entsprechend eine aktivere Rolle in der Welt übernehmen. Wie sehen Sie das?

Bischof Overbeck: Wir leben in einer globalisierten Welt. Das bedeutet viel Verantwortung, die weit über den Rahmen unseres konkreten Lebensraumes- und Horizontes hinausgeht. Ich sehe auch, dass wir in Deutschland eine solche Aufgabe haben und dass wir sie auch vielfältig wahrnehmen. Das betrifft viele Bereiche, nicht nur den militärischen, auch den politischen, den gesellschaftlich-kulturellen und auch den religiösen Bereich. Von daher kann ich die Argumente verstehen, und sehe, dass wir auch in unseren Zusammenhängen, in denen wir hier in Deutschland leben, uns nur verstehen können, wenn wir auch globalisiert denken. Wenn wir so handeln und dann auch tun. In diesem Zusammenhang gehören dann auch all die Sicherheitsfragen und Sicherheitsbedürfnisse, auch die Fragen nach Frieden und Gerechtigkeit. Wir selbst tragen eine solche Verantwortung, und müssen uns deswegen auch so einsetzen.

domradio.de: Ministerin von der Leyen denkt ja offenbar vor allem um eine Ausweitung der Bundeswehr-Einsätze in Afrika nach. Sind wir dem gebeutelten Kontinent nicht Unterstützung jeglicher Art schuldig?

Bischof Overbeck: Jeglicher Art heißt natürlich vor allen Dingen kulturell, wirtschaftlich und in vielfacher Weise auch entwicklungspolitisch. Da geschieht ja auch ganz viel von deutscher Seite aus. Übrigens auch vonseiten unserer Kirche, denken wir nur an Misereor, Missio, Kirche in Not und all die vielen Hilfswerke, die wir haben und die sich einsetzen. Wir müssen aber auch sehen, dass es so viele Formen von Gewalt gibt. Zum Beispiel Menschen aushungern zu lassen, ihnen die Ressourcen wie Wasser nicht zugänglich zu machen. Da haben wir auch eine Verantwortung. Von daher sehe ich in einem solchen Rahmen auch einen möglichen militärischen Einsatz, der natürlich nur mit einem klaren Mandat und klaren Begrenzungen ausgeführt werden kann.

domradio.de: Die Bedenken der Menschen haben sicher auch mit den Erfahrungen in Afghanistan zu tun, wo nicht immer alles optimal gelaufen ist. Welche Lehren sollte die Bundeswehr in Ihren Augen aus dem Afghanistan-Einsatz für die Zukunft ziehen?

Bischof Overbeck: Es muss sehr klar sein auf welches Ziel hin ein solcher Einsatz läuft, und wie lange er währen soll. Das bedeutet vor allen Dingen, setzen wir die Soldaten so ein, dass sie dem Frieden wirklich dienen, und das auch in kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Zusammenhängen? Oft sind uns diese Zusammenhänge nicht klar, wie wir in Afghanistan gesehen haben. Wichtig ist auf der anderen Seite auch, dass es ein Einsatz sein muss, der die Familien der Soldatinnen und Soldaten, gut in den Blick nimmt. Es muss ein Einsatz sein, der die Soldaten und Soldatinnen selber und ihre Bedürfnisse nicht vergisst. Wenn man das zusammennimmt, glaube ich, kann man die Lehren aus Afghanistan auch für einen möglichen anderen Einsatz fruchtbar machen.

domradio.de: Sie haben ja gerade ihren persönlichen Erfahrungen mit den Soldaten und Soldatinnen  schon angesprochen. Welche Rolle kann, welche Rolle soll die Militärseelsorge angesichts potentieller neuer Auslandseinsätze der Bundeswehr spielen?

Bischof Overbeck: Unsere Militärseelsorge hat einen ganz klaren Auftrag, er ist seelsorglich bestimmt. Das bedeutet, dass die Soldatinnen und Soldaten in ihren Einsätzen und Aufgaben begleitet werden. Ganz gleich wo sie auch geschehen. So sehe ich auch jetzt den Einsatz der Militärseelsorge. Das tun wir im Kosovo, das tun wir in Afghanistan, vieles in ökumenischer Verantwortung gemeinsam mit der evangelischen Militärseelsorge. Wir haben da eine hohe Akzeptanz gefunden, die sich immer wieder bewegt, und das geht auch weit über den Rahmen der gläubigen Soldatinnen und Soldaten hinaus. Viele haben eben dieselben Fragen, dieselben Leiden und eben dieselbe Problematik 'Wie gehe ich mit dieser schwierigen Lebenssituation um?'.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Bischof Overbeck (dpa)
Bischof Overbeck / ( dpa )
Quelle:
DR