domradio.de: Gibt es denn, auch aufgrund des Dialogprozesses, der offiziell im vergangenen Jahr zu Ende ging, Ihrem Gefühl nach eine neue Gesprächskultur in der Kirche?
Bischof Franz-Josef Overbeck: Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass wir uns in vielfacher Weise nach vorne bewegt haben, was das Sprechen miteinander, den Dialog, aber auch den Austausch vor Argumenten angeht. Das ist durchaus auch in Konfliktsituationen und bei unterschiedlichen Ansichten der Fall. Insgesamt habe ich in den letzten sechs Jahren nach dem Beginn des Dialogprozesses im Jahr 2010 und dem schwierigen ersten Jahr der Missbrauchsfälle ein gutes Gefühl.
Ich sehe, dass viele Diözesen in sehr unterschiedlichen Situationen miteinander ins Gespräch kommen. Wir lernen, wie unterschiedlich Kirche in Deutschland ist und wie wichtig es ist, einen gemeinsamen Weg zu finden. Von da her sind die Themen, die ich jetzt auch auf unserer Tagung wahrnehme, eine gute Möglichkeit, das zu reflektieren.
domradio.de: Ganz wichtig ist die Beteiligung der Laien an diesen Gesprächsprozessen. Auch in den Gemeinden übernehmen die Laien immer mehr Aufgaben. Wie gelingt das in Ihrem Bistum, die Laien mitzunehmen und ihnen auch immer mehr Aufgaben zu übertragen?
Overbeck: Wir haben auch in unserem Bistum einen guten Gesprächsprozess mit einem Zukunftsbild, das wir Schritt für Schritt umsetzen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass alles nur in einem Prozess mit der Teilhabe vieler geht. Es braucht viel Geduld, weil wir uns in einer Übergangssituation befinden. Es gibt nicht wenige, die gerne in der Zeit leben, die jetzt zu Ende geht. Es gibt manche, die gerne nach vorne gehen. Alles zusammenzubringen, damit wir eine Kirche bleiben, braucht viel Mut. Dazu gehören eben auch die verschiedenen Engagements der Laien.
Wir sind ein Bistum, das das schon seit Jahrzehnten in vielfacher Weise tut. Aber wir haben jetzt neu aufgelegt, dass Gläubige aus den Gemeinden – nach einer Ausbildung – Verstorbene begraben und Trauernde begleiten. Das ist etwas Neues und wird sehr gut angenommen. Es zeigt, dass wir an dieser Stelle einen Weg nach vorne beschreiten. In den Pfarreien unseres Bistums gibt es Gemeinden, in denen Gemeindereferenten unter einem Pfarrer Koordinierungsaufgaben wahrnehmen und zusammen Wege gestalten. Wir haben auch unsere gemeinsame Kommunikation mit vielen Laien ganz gut aufgestellt. Das kann man an unserem neuen Magazin "Bene" ganz gut sehen. Das hat eine richtig gute Resonanz.
domradio.de: Ich könnte mir vorstellen, dass die Meinungen bestimmt auch einmal auseinandergehen, beispielsweise bei Themen wie Zölibat oder Diakonat für Frauen. Gibt es da manchmal eine Frustration, dass Leute sagen, da werde sich ja doch nichts verändern?
Overbeck: Es gibt zwei Aufgaben, die wir zu bewältigen haben. Das eine ist, eine im besten Sinne des Wortes gute Streitkultur zu entwickeln, in der alle Argumente und Für und Wider in allen Themen auf den Tisch des Hauses gelegt werden. Das müssen wir in vielfacher Weise immer noch lernen, dass wir tatsächlich fähig werden, Ambivalenzen auszuhalten und auf der anderen Seite mit Mut nach vorne zu gehen. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir eine Kirche sind, die 2000 Jahre alt ist und auf klarem Fundament steht.
Von diesem Fundament aus müssen wir unsere Kirche weiterentwickeln. Dabei ist nicht alles beliebig und gleichzeitig auch als Antwort auf unsere Zeit zu verstehen. Das andere ist, dass viele unserer Themen auch einen weiten Horizont haben. Papst Franziskus hat beispielsweise im Blick auf das Diakonat für Frauen eine Kommission eingesetzt, die diese Fragen prüfen soll. In einer solchen Situation stecken wir in allen Themen.
domradio.de: Sie sind auf einer Fachtagung in Mülheim an der Ruhr, die sich mit der Frage beschäftigt, wie es mit Glauben und Kirche in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft weitergeht. Was steht noch auf dem Programm?
Overbeck: Heute geht es einerseits noch einmal um die Veränderung von Organisationsstrukturen in der Kirche und um die Frage von Partizipation vieler an Leitung und Führung in der Kirche und was es heißt, möglichst viele Menschen zu integrieren. Mir ist wichtig, dass wir alle diese Prozesse nicht nur als innerkirchliche Prozesse begreifen, in dem die eine Rolle spielen, die schon längst bei uns sind. Wir müssen uns auch um die vielen kümmern, die zu uns kommen und die vielleicht Suchende sind oder Glaubende, die neu in ihrer Welt gefestigt werden müssen, die sie in der Kirche antreffen. Das ist ein weites Feld, das sich da heute zeigt, nachdem wir gestern schon um die Frage von Synodalität gerungen haben und die Frage der Subsidiarität eine wichtige Rolle gespielt hat.
Das Interview führte Verena Tröster.