Bischof Wiesemann blickt auf sechs Jahre Ökumene-Arbeit zurück

"Wir haben viel erreicht"

Der Speyrer Bischof Karl-Heinz Wiesemann beendet seine Arbeit als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Im Interview schaut er zurück: Was hat sich in der Ökumene getan?

Autor/in:
Michael Jacquemain
 (DR)

KNA: Herr Bischof Wiesemann, welche Bilanz ziehen Sie nach sechs Jahren als ACK-Vorsitzender?

Wiesemann: Wir haben viel erreicht. So haben wir Mandat und Aufgabe der ACK genauer geklärt. Den jährlichen "Tag der Schöpfung" haben wir vielerorts bis in die lokale Ebene hinein etabliert. Im Reformationsgedenkjahr 2017 haben wir auch wichtige Impulse aus multilateraler Perspektive gesetzt, die auch die Leidgeschichte kleinerer Gemeinschaften, etwa der Mennoniten und der Wiedertäufer, in den Blick genommen haben. Wir haben neue Mitglieder gewonnen und können jetzt nach langen Gesprächen die Neuapostolische Kirche, die sich deutlich ökumenisch geöffnet hat, aufnehmen. Wir haben mit unserem Projekt "Weißt du, wer ich bin" den interreligiösen Dialog vorangebracht - und vieles mehr.

KNA: Sie haben mehrfach betont, multilaterale Ökumene, also der Dialog der unterschiedlichen christlichen Kirchen, sei ein wichtiges Anliegen - weg von der Verengung auf das Gespräch zwischen Protestanten und Katholiken. Hat sich dieser Ansatz durchgesetzt?

Wiesemann: Zumindest ist es oft selbstverständlich geworden, dass ökumenische Gottesdienste nicht nur vor Ort, sondern auch in den Bistümern und Landeskirchen einschließlich der nationalen Ebene so gefeiert werden. Es geht mir um die bessere Wahrnehmung der kleineren Kirchen und Partner - etwa die freikirchlichen, orthodoxen oder die altorientalischen Kirchen. Gerade letztere haben auch als Folge der Flüchtlingsbewegung in Deutschland an Bedeutung gewonnen.

Wir alle sind aufgerufen, in einer zunehmend säkularisierten Welt gemeinsam Zeugnis für Jesus Christus abzulegen. Deswegen ist dieser multilaterale Weg wichtig. Das ändert nichts an der Bedeutung bilateraler Gespräche zwischen der katholischen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Aber der ganze ACK-Blick erweitert den Horizont und bereichert.

KNA: Welchen Stellenwert hat die ACK in der gesamten Ökumenedebatte?

Wiesemann: Wir bringen uns immer wieder in Debatten ein - auch und gerade in theologische. Der breite Blick ist sehr wichtig, auch wenn die öffentliche Wahrnehmung häufig auf dem bilateralen evangelisch-katholischen Gesprächen liegt. Mit dem Deutschen Ökumenischen Studienausschuss (DÖSTA) haben wir qualifizierte theologische Studien herausgebracht. Etwa zur Tradition und zur Gottesfrage.

KNA: Ein Thema, das Sie mit dem pfälzischen evangelischen Kirchenpräsidenten Christian Schad auf europäischer Ebene behandelt haben, ist die Frage nach der Kirchengemeinschaft und ihren Voraussetzungen. Wo steht diese Debatte?

Wiesemann: Wir hatten den Auftrag vom päpstlichen Einheitsrat und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) zu prüfen, ob es sinnvoll ist, offizielle Gespräche aufzunehmen, um die Frage der Kirchengemeinschaft in multilateraler Perspektive zu erörtern. Unser Votum ist begrüßt worden, und im Herbst sollen die Gespräche beginnen. Das ist ein großer Erfolg.

KNA: Für innerkatholische Diskussionen sorgt die Frage des Kommunionempfangs konfessionsverschiedener Ehepaare. Wie geht es in dieser Frage weiter?

Wiesemann: Hier ging es um eine seelsorgliche Frage, hinter der natürlich auch eine der Lehre steht. Die vor kurzem erarbeitete Orientierungshilfe der Bischofskonferenz macht deutlich, dass im Einzelfall und mit seelsorgerischer Begleitung ein evangelischer Partner zur katholischen Eucharistie gehen kann. Allerdings ist mit dieser seelsorglichen Antwort die grundsätzliche Frage theologisch noch nicht geklärt. Eine vollständige Eucharistiegemeinschaft setzt echte Kirchengemeinschaft voraus.

KNA: 2021 steht in Frankfurt der Dritte Ökumenische Kirchentag an. Welche Akzente erhoffen Sie sich?

Wiesemann: Vor allem, dass aus Frankfurt im Hinblick auf eine säkularisierte Gesellschaft ein gemeinsames christliches Bild in die Welt hinausgeht. Es sollte nicht in erster Linie um binnenkirchliche Fragen gehen, sondern darum, ein gemeinsames Zeugnis der Christen abgeben. Wir müssen klar machen, welche Botschaft wir heute haben.

Neben drängenden Herausforderungen wie dem Klimawandel und Migrationsfragen geht es darum, die Gottesgegenwart zu verkünden und lebendig zu halten, damit die Menschen eine tiefere Hoffnung für ihr Leben finden können. Für dieses Zeugnis erwarte ich mir Impulse.

KNA: Eine persönliche Frage: Bedauern Sie ihr Ausscheiden?

Wiesemann: Ich habe die ACK sehr bereichernd erlebt und schaue sehr dankbar auf diese Zeit zurück. Vor allem die vielen kleineren Gemeinschaften und ihre Vertreter haben meinen Horizont erweitert. Wir müssen gemeinsam entschlossen den Weg zur Einheit der Kirche weitergehen.


Bischof Karl-Heinz Wiesemann / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Karl-Heinz Wiesemann / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA
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