Bischofskonferenz denkt über familiengerechte Rentenversicherung nach

Familien sollen stärker für Leistungen belohnt werden

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hat eine familiengerechte Reform der gesetzlichen Rentenversicherung gefordert. Kindererziehungsleistungen müssten verstärkt berücksichtigt werden, sagte der Trierer Bischof Reinhard Marx am Mittwoch in Frankfurt. Die Familien würden derzeit «strukturell benachteiligt» und Kinderlose im Vergleich zu Eltern begünstigt.

 (DR)

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hat eine familiengerechte Reform der gesetzlichen Rentenversicherung gefordert. Kindererziehungsleistungen müssten verstärkt berücksichtigt werden, sagte der Trierer Bischof Reinhard Marx am Mittwoch in Frankfurt. Die Familien würden derzeit «strukturell benachteiligt» und Kinderlose im Vergleich zu Eltern begünstigt. Marx, der Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Bischofskonferenz ist, stellte ein Gutachten für ein entsprechendes Reformmodell vor.

Mehr Ausgleich für Erziehung
In dem Gutachten heißt es, durch die Anhebung der anrechnungsfähigen Zeiten für Kindererziehung um jeweils zwei Jahre auf drei beziehungsweise fünf Jahre könnten die Defizite der derzeitigen Regelung abgebaut werden. Für Geburten vor 1992 beträgt danach die Anrechnungszeit zwölf Monate, für Geburten ab 1992 sind drei Jahre vorgesehen.
Autoren sind Professor Jörg Althammer und Andreas Mayert von der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität in Bochum.

Höhere Beiträge für alle?
Eine Variante des Modells der Wissenschaftler sieht vor, den Ausbau der Kindererziehungszeiten durch höhere Beiträge zu finanzieren. Die zusätzlichen Rentenausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung würden danach rund zehn Milliarden Euro betragen, so dass eine Beitragssteigerung von rund 1,5 Prozentpunkten erforderlich sei. Bis 2040 schwankten die Zusatzbelastungen voraussichtlich zwischen zwölf und 14 Milliarden Euro. Der Beitragssatz müsste dafür um 1,7 bis zwei Prozentpunkte angehoben werden.

Auf Kosten der Kinderlosen?
Nach der zweiten Variante würden Kinderlose bei der Rente um rund 5,4 Prozentpunkte schlechter gestellt. Für die Rentenversicherung könnte der Ausbau der Kindererziehungszeiten damit kostenneutral erfolgen, so die Wissenschaftler. Dieser Vorschlag habe den Nachteil, dass einige Kinderlose unter das Niveau der sozialen Mindestsicherung rutschen würden, was einen Ausgleich durch Steuermittel erfordere, räumte Marx ein.

"Wir müssen uns dies etwas kosten lassen."
Althammer sprach sich für eine Steuerfinanzierung von Familienleistungen in der Rentenversicherung aus. Notwendig sei eine «gesellschaftliche Prioritätensetzung», betonte er. Bei der Frage der Finanzierung von mehr Familiengerechtigkeit sei die politische Debatte festgefahren, sagte Bischof Marx. Die katholische Kirche wolle "diese Diskussionsblockade zugunsten der Familie aufbrechen".
Ohne zusätzliche Mittel oder eine Umverteilung zwischen Versicherten mit Kindern und Versicherten ohne Kinder werde es nicht gehen: «Wir müssen uns dies etwas kosten lassen.»

Prof. Dr. Jörg Althammer stellt die Ergebnisse im domradio-Interview vor.

Reaktionen: Katholische Verbände begrüßen Diskussion um Rente und Familie
Katholische Verbände unterstützen die Forderung der Deutschen Bischofskonferenz nach einer stärkeren Anerkennung der Familienleistung in der Rente. Familiengerechtigkeit müsse noch stärker zur gesellschaftlichen Querschnittsaufgabe werden, betonen die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (KAB), die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und der Familienbund der Katholiken (FdK) am Mittwoch in einer Erklärung.
Darin werben die Verbände gleichzeitig für ein eigenes Modell der Altersversorgung, das sie 2000 vorgelegt hatten.

Die Bundesvorsitzende der KAB, Birgit Zenker, sagte, die Politik könne nicht einerseits Steuern immens erhöhen und andererseits für eine stärkere Privatisierung der Alterssicherung werben.
Familien seien heute nicht mehr in der Lage, eine zusätzliche private Altersvorsorge aufzubauen. FdK-Präsidentin Elisabeth Bußmann betonte, die Finanzierung der Leistungen dürfe nicht den Versicherten, deren Zahl zunehmend zurückgehe, allein überlassen bleiben, sondern müsse von der gesamten Gesellschaft geschultert werden. Die kfd-Bundesvorsitzende Magdalena Bogner verwies auf das Verbände-Modell mit einer solidarischen Sockelrente für alle Einwohner. Nach dem Konzept der Verbände soll es aus allen zu versteuernden Einkommen finanziert werden.

Caritas skeptisch
Skeptisch zeigte sich der Deutsche Caritasverband. Das Anliegen der Bischöfe, "Diskussionsblockaden" aufzubrechen, sei zu begrüßen, so der katholische Wohlfahrtsverband. Zu fragen sei, ob es wirklich sinnvoll sei, denjenigen, die wegen der Kindererziehung auf Erwerbsarbeit verzichteten, höhere Rentenansprüche im bestehenden System zu versprechen. Die Caritas plädierte demgegenüber dafür, die Kindererziehung stärker bei der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Neuregelung der "Riester-Rente"
zu berücksichtigen. Die gesetzliche Rentenversicherung gepaart mit einer verpflichtenden privaten Zusatzversicherung und mit starker Familienkomponente könnten Bausteine eines familiengerechten Rentensystems sein.
(KNA, edp, dr)