Bischofskonferenz will neue Ansätze für Ehe- und Sexualmoral

"Große Differenz zwischen Gläubigen und Lehre"

Bei der Auswertung des vatikanischen Fragebogens stellen die Bischöfe bei den Themen wiederverheiratete Geschiedene, Verhütung und Homosexualität eine Diskrepanz zwischen der kirchlichen Lehre und den meisten Gläubigen fest.

Vom "Vorurteil der Leibfeindlichkeit" befreien (DBK)
Vom "Vorurteil der Leibfeindlichkeit" befreien / ( DBK )

Die Deutsche Bischofskonferenz hat vorgeschlagen, bei der Vermittlung der kirchlichen Sexualmoral  neue Wege suchen. In einer am Montag in Bonn veröffentlichten Auswertung einer Umfrage zu Sexualität und Familie stellen die Bischöfe fest, dass die kirchliche Lehre zur Sexualität im Alltag vieler Katholiken kaum noch eine Rolle spiele. Als Gründe dafür benennen die Bischöfe einen Wandel in der Gesellschaft, aber auch Defizite in der eigenen Seelsorge sowie eine für viele Gläubige unverständliche Sprache in kirchlichen Dokumenten. Die Umfrage, deren Ergebnisse die Deutsche Bischofskonferenz auswertete, ist Teil einer vom Vatikan angestoßenen Bestandsaufnahme, die Grundlagen für eine im Oktober geplante Weltbischofssynode liefern soll.

In ihrer nun nach Rom übermittelten Auswertung stellen die deutschen Bischöfe eine «große Differenz zwischen den Gläubigen und der offiziellen Lehre» der Kirche fest, etwa beim Thema Empfängnisverhütung. Das 1968 in der Enzyklika "Humanae vitae" formulierte Verbot künstlicher Verhütungsmethoden werde "von der großen Mehrheit der Katholiken als unverständlich abgelehnt und in der Praxis nicht beachtet". Anders bei der Abtreibung: Sie werde im Einklang mit dem Lehramt "von der großen Mehrheit der Katholiken abgelehnt".

Den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von den Sakramenten können laut dem 20 Seiten langen Papier die meisten deutschen Katholiken "nicht nachvollziehen". Sie forderten stattdessen eine "Pastoral des Respekts vor der Gewissensentscheidung des Einzelnen und einen barmherzigen Umgang mit Scheitern, der auch die Wiederzulassung zu den Sakramenten ermöglicht".

Ein differenziertes Bild ergab die Umfrage den Angaben zufolge mit Blick auf die rechtliche Stellung homosexueller Lebensgemeinschaften. So betrachte eine Mehrheit der deutschen Katholiken es als ein "Gebot der Gerechtigkeit", solche Lebensgemeinschaften rechtlich anzuerkennen und Homosexuelle zu respektieren. Eine Öffnung des Rechtsinstituts der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften werde hingegen unter Katholiken "überwiegend abgelehnt".

Für die kirchliche Arbeit fordern die Bischöfe neue Ansätze. Es gelte, "die zentrale Botschaft der Kirche von Ehe und Familie in ihrer unbedingten Bejahung des Lebens und des Leibes in einladender Weise zu vermitteln". Auch im Umgang mit gescheiterten Beziehungen plädiert die Bischofskonferenz für einen Kurswandel. Für die Weltbischofssynode im Oktober empfiehlt sie eine aktive Beteiligung von Eheleuten und Familien an den Vorbereitungen sowie an den Beratungen des Treffens.

Erste Reaktionen

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nannte die Veröffentlichung der Ergebnisse einen "wichtigen Schritt zu einer ehrlichen und offenen Kommunikation". Die katholischen Laien sähen darin einen Ausgangspunkt für eine neue Debatte über Konsequenzen für die Verkündigung und für das kirchliche Leben, erklärte ZdK-Präsident Alois Glück.

Ähnlich äußerte sich der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Zugleich zeigte sich der Bundesvorsitzende Dirk Tänzler wenig überrascht von den Ergebnissen. "Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, weiß dass die Realität so aussieht", sagte Tänzler der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Zugleich rief er dazu auf, die Debatte weiterzuführen. "Die Leute interessieren sich für die Lehre der Kirche - und das ist das Entscheidende!"

Bereits vor Veröffentlichung der Ergebnisse hatte der Münchner Kardinal Reinhard Marx vor einer Fehlinterpretation der Umfrage gewarnt. Die Menschen lehnten nicht die Kirchenlehre ab, sagte Marx am Sonntagabend bei einer Predigt im Münchner Liebfrauendom. Sie wollten allerdings von der Kirche hören, dass es für sie einen Neuanfang gebe, wenn ihr Leben nicht den Weg nehme, den sie für sich gewählt hätten.


Quelle:
KNA